Discussion:
Neues im Straf(prozessrecht) 2020-2021 (1/6)
(zu alt für eine Antwort)
Thomas Hochstein
2022-01-04 14:04:29 UTC
Permalink
In den vergangenen Jahren war der Gesetzgeber auch im Strafrecht und
Strafprozessrecht einigermaßen produktiv und hat nicht nur im Sexual-
und Äußerungstrafrecht (Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs von Kindern
und Jugendlichen sowie von "hate speech") umfangreiche Änderungen
vorgenommen.

Ich möchte den Jahreswechsel nutzen, darüber einen kleinen Überblick zu
geben; vielleicht interessiert es ja den einen oder die andere.

----------------------------------------------------------------------

Kommunikation mit Strafverfolgungsbehörden und Gerichten
========================================================

Zum Jahreswechsel ist der durch das "Gesetz zur Einführung der
elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des
elektronischen Rechtsverkehrs" (EAkteJEG) vom 05.07.2017 eingeführte §
32d StPO in Kraft getreten:

| § 32d: Pflicht zur elektronischen Übermittlung
|
| Verteidiger und Rechtsanwälte sollen den Strafverfolgungsbehörden und
| Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich
| einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument
| übermitteln. Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre
| Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die
| Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches
| Dokument übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend
| nicht möglich, ist die Übermittlung in Papierform zulässig. Die
| vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder
| unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein
| elektronisches Dokument nachzureichen.

Damit soll der elektronische Rechtsverkehr auch im Strafrecht der
Regelfall werden; das ist recht früh, weil die elektronische Strafakte
(aufgrund der deutlich höheren Komplexität) ggü. der eletronischen
Aktenführung in den anderen Rechtsgebieten zeitlich deutlich zurückliegt
und sich zumeist erst in der Frühphase der Pilotierung befindet.

Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten, bspw. dem Zivilrecht, wo für
professionelle Verfahrensbeteiligte eine umfassende Pflicht zur
elektronischen Übermittlung festgeschrieben ist (vgl. § 130d ZPO),
müssen im Strafrecht nur bestimmte Schriftsätze (im Wesentlichen
Rechtsmitteleinlegungen und -begründungen, Privat- und Nebenklage) für
ihre Wirksamkeit zwingend übermittelt werden.

Elektronische Dokumente müssen zum Ersatz der konventionellen
Unterschrift entweder qualifiziert elektronisch signiert sein _oder_ auf
einem gesicherten Übermittlungsweg übermittelt werden, der gleichermaßen
sicherstellt, dass die Nachricht auch tatsächlich von ihrem
Unterzeichner stammt (§ 32 StPO). Solche Übermittlungswege waren bisher

- De-Mail
- beA
- beBPO

Zugleich ist am 01.01.2021 auch das "Gesetz zum Ausbau des
elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung
weiterer Vorschriften" (ERVAG) in Kraft getreten.

Damit werden als neue sichere Übertragungswege das eBO, das "besondere
elektronische Bürger- und Organisationenpostfach", und ein Nutzerkonto
nach § 2 Absatz 5 des OZG (Onlinezugangsgesetz), eingeführt; für die
anderen Prozessordnungen gilt das ebenso. Das eBO ist das Äquivalent zu
beA, beN und beBPO: ein Postfach in der EGVP-Infrastruktur. Ein
Nutzerkonto nach dem OZG ist bspw. ein Account beim Portal
<https://service-bw.de/>. Die Einzelheiten finden sich zumeist in der
Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung (ERVV).

Das ERVAG ändert und konsolidiert zugleich die Zustellungsvorschriften
in der ZPO, die für die meisten anderen Prozessordnungen gleichfalls
gelten, so auch für das Strafprozessrecht, und stellt dort die
elektronische Zustellung voran.

Gesetzesbegründung zum EAkteJEG:
<https://dip.bundestag.de/vorgang/.../74015>

Gesetzesbegründung zum ERVAG:
<https://dip.bundestag.de/vorgang/.../273967>

Die übrigen in Bezug genommenen gesetzlichen Regelungen finden sich
bspw. bei <https://buzer.de/>.

-thh
--
Liste juristischer Online-Ressourcen: <https://th-h.de/law/lawlinks/>
Gesetzestexte, Rechtsprechung und Fundstellen: <http://dejure.org/>
Gesetze und Verordnungen (deutsches Bundesrecht): <http://buzer.de/>
Freie Rechtsprechungs-Dokumentation (Urteile): <http://openjur.de/>
Stefan Schmitz
2022-01-04 14:52:56 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Damit soll der elektronische Rechtsverkehr auch im Strafrecht der
Regelfall werden; das ist recht früh, weil die elektronische Strafakte
(aufgrund der deutlich höheren Komplexität) ggü. der eletronischen
Aktenführung in den anderen Rechtsgebieten zeitlich deutlich zurückliegt
und sich zumeist erst in der Frühphase der Pilotierung befindet.
Was macht das im Strafrecht komplexer?
Post by Thomas Hochstein
Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten, bspw. dem Zivilrecht, wo für
professionelle Verfahrensbeteiligte eine umfassende Pflicht zur
elektronischen Übermittlung festgeschrieben ist (vgl. § 130d ZPO),
müssen im Strafrecht nur bestimmte Schriftsätze (im Wesentlichen
Rechtsmitteleinlegungen und -begründungen, Privat- und Nebenklage) für
ihre Wirksamkeit zwingend übermittelt werden.
Warum diese Einschränkung?
Post by Thomas Hochstein
Zugleich ist am 01.01.2021 auch das "Gesetz zum Ausbau des
elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten und zur Änderung
weiterer Vorschriften" (ERVAG) in Kraft getreten.
Damit werden als neue sichere Übertragungswege das eBO, das "besondere
elektronische Bürger- und Organisationenpostfach", und ein Nutzerkonto
nach § 2 Absatz 5 des OZG (Onlinezugangsgesetz), eingeführt; für die
anderen Prozessordnungen gilt das ebenso. Das eBO ist das Äquivalent zu
beA, beN und beBPO: ein Postfach in der EGVP-Infrastruktur. Ein
Nutzerkonto nach dem OZG ist bspw. ein Account beim Portal
<https://service-bw.de/>.
Ich habe mich im letzten Jahr beim Servicekonto NRW (zwecks
Terminbuchung bei der hiesigen Stadtverwaltung) angemeldet. Ist das auch
ein solches Nutzerkonto?
Ein Postfach dazu gab es nicht, wird das noch ergänzt?
Stefan Schmitz
2022-01-04 17:12:51 UTC
Permalink
Wer
feststellen will, ob ihm rechtlich relevante Post zugegangen ist, wird
wohl jeden Morgen erst seine 30 Servicepostfächer abklappern müssen, in
denen Mitteilungen und Willenserklärungen in seinen Machtbereich gelangen.
Bekommst du keine Mail, wenn die Bank etwas wichtiges ins Postfach
einstellt?
Diedrich Ehlerding
2022-01-04 17:20:35 UTC
Permalink
Ich sehe das Postfach(un)wesen mit gemischten Gefühlen. Die Bank
drängt es ihren Kunden auf, die Gemeinde-, Landes- und Bundesbehörden
werden folgen und die Gerichte werden sicher extra Postfächer haben.
Und dann wird sicher bald jeder private Laden, bei dem man Kunde ist,
einem nicht nur die unerlässliche Kundenkarte aufschwatzen, sondern
auch ein höchstpersönliches elektronisches Postfach, und das wird als
toller Service zur Kommunikation mit dem Bürger bzw. Kunden
betrachtet. Wer feststellen will, ob ihm rechtlich relevante Post
zugegangen ist, wird wohl jeden Morgen erst seine 30 Servicepostfächer
abklappern müssen, in denen Mitteilungen und Willenserklärungen in
seinen Machtbereich gelangen.
DSas Ganze hat den sinn, dass dann der Absender einen beleg hat, dass
der Adressat das auch tatsächlich abgerufen hat.

Bei meinem Ex-Arbeitgebergab es das auch. Alles, was einem die
Personalabteilung mitteilen wollte (Gehaltsabrechnung, Meldung zur
Sozialversicherung, Zielsetzung fürs variable Einkommen, Hinweis, dass
der Urlaub bis dannunddann genommen sein muss, damit er nicht verfällt,
usw. usf.) wurde in irgendeiner Intranet-Anwendung abgelegt. Natürlich
musste man sich an der extra anmelden; die war ja von irgendeiner
Fremdfirma gebastzlt, und sowas Meummodisches wie single login fiel
keinem von den Planern ein, und natürlich hatten diese Passworte einen
anderen Verfallsrhythmus und andere Komplexitätsregeln als das
Domänenkennwort des ZwangswindowsPC. Da kam vielleicht einmal im Monat
was, und natürlich schaute niemand jeden Tag da rein. Das merkte die
Personalabeteilung auch, ass niemand das abholte, also schickte sie dann
Mails ins normale Postfach "es liegt eine Mitteiling der
Personalabteilung vor, bitte abholen"). Natürlich sagte sie nichts
darüber, was für eine Mitteilung das war. Und in diesem "Postfach"
hießen die ungefähr "Mitteilung der Personalabteilung vom
soundsovielten" - sanfter Zwang, alles tatsächlich zu lesen.
--
gpg-Key (DSA 1024) D36AD663E6DB91A4
fingerprint = 2983 4D54 E00B 8483 B5B8 C7D1 D36A D663 E6DB 91A4
HTML-Mail wird ungeleſen entſorgt.
Thomas Hochstein
2022-01-04 19:39:19 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Damit soll der elektronische Rechtsverkehr auch im Strafrecht der
Regelfall werden; das ist recht früh, weil die elektronische Strafakte
(aufgrund der deutlich höheren Komplexität) ggü. der eletronischen
Aktenführung in den anderen Rechtsgebieten zeitlich deutlich zurückliegt
und sich zumeist erst in der Frühphase der Pilotierung befindet.
Was macht das im Strafrecht komplexer?
Die Erstreckung auf das Vorverfahren und die Mehrzahl der
institutionellen Beteiligten.

Im Zivilrecht, aber auch den anderen Rechtsgebieten beginnt die
gerichtliche Akte mit einer Klageschrift oder einem vergleichbaren
Antrag. Da mögen umfangreiche Anlagen beigefügt sein, da mag man in der
Verwaltungs-, Sozial- und Finanzgerichtsbarkeit Behördenakten beiziehen,
aber die Gerichtsakte führt allein das Gericht, und sie beginnt mit dem
ersten Eingang dort. Abgebildet werden muss nur der Instanzenzug; auch
da werden aber grundsätzlich in jeder Instanz gesonderte Akten geführt.

Im Strafrecht ist das anders.

Mit Anklageerhebung übersendet die Staatsanwaltschaft dem Gericht die
bis dahin von ihr geführte Ermittlungsakte, die dann zur Gerichtsakte
wird; die Staatsanwaltschaft behält eine (Teil-)Kopie als Handakte
(oder, wie in der Mehrzahl der Fälle der Alltagskriminalität, auch
nicht; daher erscheint der Sitzungsvertreter beim Strafrichter
regelmäßig ohne Akte und ohne Kenntnis der Akte). Das bedeutet, dass die
eStrafakte es unterstützen muss, dass die Staatsanwaltschaft ihre Akte
mit Anklageerhebung an das Gericht übermittelt und sie sinnvollerweise
zugleich als Handakte weiterführt. Da wäre es dann schon sinnvoll, wenn
weitere Eingänge ebenfalls in Kopie in die Handakte gehen, aber nicht
mehr mit Seitenzahlen versehen werden, denn die verbindliche, blattierte
Akte führt jetzt ja das Gericht. Sind die Fachverfahren bei Gericht oft
einigermaßen einheitlich, haben die Staatsanwaltschaften regelmäßig
andere Fachverfahren; die E-Akte-Anwendung muss also mit beiden
klarkommen.

Das ist noch einigermaßen überschaubar, aber noch nicht einmal die halbe
Miete. Die Staatsanwaltschaft bekommt nämlich ihrerseits die Akten in
der ganz weit überwiegenden Zahl der Fälle von der Polizei vorgelegt.
Wenn man die Staatsanwaltschaften also nicht zu riesigen Scanstationen
umbauen will, muss auch die Polizei ihre Akten elektronisch führen, und
zwar in einem kompatiblen System, so dass sie bei Ermittlungsabschluss
die Akten elektronisch der Staatsanwaltschaft vorlegen kann. Das
bedeutet, dass eine vergleichsweise sehr große Institution, die einem
anderen Ministerium untersteht, ihre gesamte IT im Gleichklang mit der
Justiz umrüsten muss und ihre Fachanwendungen anpassen muss. Dabei muss
sie eine Lösung dafür finden, dass der Kontakt mit dem Bürger regelmäßig
weiter analog erfolgt, Vernehmungen als im Ausdruck unterschrieben (und
nicht digital signiert) werden und gerade der Streifendienst zwar
überall bereits elektronische Dokumente anlegt, die aber nur Abschriften
handschriftlicher Notizen und Vernehmungen sind, die im Original bspw.
im Notizbuch unterschrieben wurden, und dass die
Bearbeitungszuständigkeit regelmäßig wechselt bzw. verschiedene
Organisationseinheiten zusammenarbeiten. Außerdem bestehen bei der
Polizei üblicherweise während der laufenden Ermittlungen u.a. deshalb
noch keine festen Akten im eigentlichen Sinne, sondern (nebeneinander)
elektronische Dokumente in den Vorgangsbearbeitungssystemen und
Fachverfahren, die aber natürlich nicht unterschrieben sind, und
(unterschriebene) Ausdrucke als Blattsammlungen oder Hefter. Erst bei
Vorlage der Akten an die Justiz wird daraus eine sortierte, geordnete
und blattierte Akte.

Jetzt haben wir statt des Gerichts, das Schriftsätze der Parteien und
seine eigenen Dokumente in der Akte sammelt, schon die Polizei, die eine
Akte aus der Zuarbeit verschiedener Dienststellen erstellt, dann eine
Staatsanwaltschaft und erst dann das Gericht. Das ist aber immer noch
nicht alles, denn im Ermittlungsverfahren (also bis zur Anklageerhebung)
gehen die Akten in vielen Fällen mehrfach hin und her. Die Polizei
schickt sie der Staatsanwaltschaft mit der Anregung, eine Durchsuchung
durchzuführen. Die Staatsanwaltschaft stellt einen entsprechenden Antrag
und übersendet diesen mit den Akten dem Ermittlungsrichter, der eine
Entscheidung trifft, Ausfertigungen/Abschriften herstellt und alles
wieder zurückschickt. Von da gehen die Akten wieder an die Polizei, die
die Durchsuchung durchführt und dann die Akten mit einem neuen Antrag
(Haftbefehl, whatever) wieder der Staatsanwaltschaft vorlegt usw.
Dazwischen gehen die AKten vielleicht auch einmal ans Beschwerdegericht.
Es genügt also nicht, dass die Polizei einfach zum Zeitpunkt X eine AKte
zusammenstellt, exportiert und der Staatsanwaltschaft zuschickt, und die
dann bei Anklageerhebung dasselbe mit dem Gericht macht; die Akte muss
vielfach hin- und hergeschickt werden, ohne dass sich ihr Inhalt
verändert - und weil man bei der elektronischen Akte natürlich nicht das
singuläre Original verschickt oder Kopien macht, muss auch immer klar,
wer die aktenführende Stelle ist, damit nicht mehrere Insitutionen
gleichzeitig Änderungen an der Akte vornehmen und dann diskunkte Akten
entstehen.

Jetzt haben wir aber nicht nur die Polizei; auch die Steuerfahndung und
die Hauptzollämter (um nur die größten Institutionen zu nennen) haben
Strafverfolgungsaufgaben und sind Ermittlungspersonen der
Staatsanwaltschaft.

Außerdem haben wir nicht nur das Straf-, sondern auch das
Bußgeldverfahren. Bevor das über die Staatsanwaltschaft ans Gericht
geht, wird es von der Verwaltungsbehörde bearbeitet. Bei Massen-OWis wie
im Verkehr arbeiten die in der Regel bereits mit elektronischen Akten;
neben den Ordnungsämtern der Städte und Landkreise gibt es aber auch
eine Vielzahl von Sonderordnungsbehörden mit Bußgeldzuständigkeit, und
die haben keine elektronische Akte (und oft noch nicht einmal jemanden,
der sich mit Bußgeldverfahren besonders auskennt - jedenfalls aber das
Problem, dass die Fachabteilung keine Bußgeldverfahren macht und die
Bußgeldstelle fachlich keine Ahnung hat).

Das ist allerdings immer noch nicht alles. Im Strafverfahren sind
regelmäßig Beweismittel Bestandteil der Akten; das fängt ganz simpel mit
den Unterschriften unter diversen Dokumenten an und geht weiter mit
Bildern, Urkunden u.a. Die will man natürlich in der elektronischen Akte
haben, aber da der Scan keinen vergleichbaren Beweiswert hat, wird man
die Originale dennoch irgendwo aufbewahren müssen, damit sie ggf.
vorlegen kann.
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten, bspw. dem Zivilrecht, wo für
professionelle Verfahrensbeteiligte eine umfassende Pflicht zur
elektronischen Übermittlung festgeschrieben ist (vgl. § 130d ZPO),
müssen im Strafrecht nur bestimmte Schriftsätze (im Wesentlichen
Rechtsmitteleinlegungen und -begründungen, Privat- und Nebenklage) für
ihre Wirksamkeit zwingend übermittelt werden.
Warum diese Einschränkung?
S. 40/50 des Gesetzentwurf sagt dazu:
| Satz 2 sieht demgegenüber eine Rechtspflicht zur elektronischen
| Einreichung von Dokumenten nur für bestimmte Verfahrenserklärungen
| vor, die aufgrund der Besonderheiten des Strafverfahrens auf die hier
| abschließend aufgeführten Erklärungen beschränkt werden soll. Eine
| strenge Nutzungspflicht soll danach nur für solche schriftlichen
| Erklärungen bestehen, bei denen ausgeschlossen ist, dass sie in einer
| besonders eilbedürftigen Situation, in der zudem die für eine
| elektronische Kommunikation erforderliche Infrastruktur fehlen kann –
| etwa in einem Verhandlungs- oder Haftprüfungstermin – abzugeben sind.
| Dies ist insbesondere bei der schriftlichen Einlegung und Begründung
| von Rechtsmitteln und bei der Gegenerklärung der Fall. Die
| Möglichkeit, die entsprechende Erklärung nicht in Schriftform
| abzugeben, sondern zu Protokoll der Geschäftsstelle zu erklären, wird
| durch § 32d StPO-E nicht eingeschränkt, weil die Vorschrift von
| vornherein nur die schriftliche Einreichung von Verfahrenserklärungen
| erfasst.
|
| Sonstige Verfahrenserklärungen, insbesondere Einlassungen zur Sache,
| Anträge zum Verfahren oder auch Beschwerden sollen vom Formzwang
| ausgenommen bleiben, weil diese Erklärungen im Strafverfahren auch
| weiterhin durch eine handschriftliche Erklärung möglich bleiben
| sollen, die der Verteidiger jederzeit auch ohne technische
| Hilfsmittel vor- nehmen können muss. Entsprechende nicht
| elektronische Erklärungen sind dann vom Gericht gemäß § 32e StPO-E in
| die elektronische Form umzuwandeln.
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Damit werden als neue sichere Übertragungswege das eBO, das "besondere
elektronische Bürger- und Organisationenpostfach", und ein Nutzerkonto
nach § 2 Absatz 5 des OZG (Onlinezugangsgesetz), eingeführt; für die
anderen Prozessordnungen gilt das ebenso. Das eBO ist das Äquivalent zu
beA, beN und beBPO: ein Postfach in der EGVP-Infrastruktur. Ein
Nutzerkonto nach dem OZG ist bspw. ein Account beim Portal
<https://service-bw.de/>.
Ich habe mich im letzten Jahr beim Servicekonto NRW (zwecks
Terminbuchung bei der hiesigen Stadtverwaltung) angemeldet. Ist das auch
ein solches Nutzerkonto?
Im Zweifel.
Post by Stefan Schmitz
Ein Postfach dazu gab es nicht, wird das noch ergänzt?
Mag sein, mag auch nicht sein. In BW gibt es ein Postfach; mit dem kann
man Behörden anschreiben, Gerichte bisher nicht.

-thh
--
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Ulf Kutzner
2022-01-27 21:04:55 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Mit Anklageerhebung übersendet die Staatsanwaltschaft dem Gericht die
bis dahin von ihr geführte Ermittlungsakte, die dann zur Gerichtsakte
wird; die Staatsanwaltschaft behält eine (Teil-)Kopie als Handakte
(oder, wie in der Mehrzahl der Fälle der Alltagskriminalität, auch
nicht; daher erscheint der Sitzungsvertreter beim Strafrichter
regelmäßig ohne Akte und ohne Kenntnis der Akte).
Solange er für den Beginn der Hauptverhandlung den Text der
Anklageschrift/des Strafbefehlsantrags mitbringt...
Thomas Hochstein
2022-01-28 06:24:36 UTC
Permalink
Post by Ulf Kutzner
Solange er für den Beginn der Hauptverhandlung den Text der
Anklageschrift/des Strafbefehlsantrags mitbringt...
Nicht nötig, kann er sich beim Vorsitzenden leihen.
Stefan Schmitz
2022-01-28 10:08:26 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Ulf Kutzner
Solange er für den Beginn der Hauptverhandlung den Text der
Anklageschrift/des Strafbefehlsantrags mitbringt...
Nicht nötig, kann er sich beim Vorsitzenden leihen.
Braucht der den Text nicht?

Eigentlich müsste das Gericht doch kontrollieren, ob die mündlich
vorgetragene Anklage mit der aus den Akten übereinstimmt. Welche Folgen
hätte es, wenn es da wesentliche Unterschiede gäbe, die mangels
Kontrolle nicht auffallen? (Der Staatsanwalt könnte etwa beim Vorlesen
eine für das Strafmaß entscheidende Passage auslassen.) Nach dem
Mündlichkeitsprinzip dürfte dann nur das relevant sein, was falsch
verlesen wurde.
Thomas Hochstein
2022-01-28 19:05:25 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Ulf Kutzner
Solange er für den Beginn der Hauptverhandlung den Text der
Anklageschrift/des Strafbefehlsantrags mitbringt...
Nicht nötig, kann er sich beim Vorsitzenden leihen.
Braucht der den Text nicht?
Der hat regelmäßig mehrere; irgendwann demletzt wurde der Kopierer
erfunden ...
Post by Stefan Schmitz
Eigentlich müsste das Gericht doch kontrollieren, ob die mündlich
vorgetragene Anklage mit der aus den Akten übereinstimmt.
Regelmäßig tut es das auch und liest mit.
Post by Stefan Schmitz
Welche Folgen hätte es, wenn es da wesentliche Unterschiede gäbe, die
mangels Kontrolle nicht auffallen?
Kommt drauf an, was im Protokoll steht.

(Normalerweise bei manueller Protokollführung auf Formular der
vorgedruckte Text, dass der Anklagesatz verlesen wurde, und bei
elektronischer Führung als Textdatei der Textbaustein, dass der
Anklagesatz verlesen wurde.)

-thh
Stefan Schmitz
2022-01-29 16:56:48 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Ulf Kutzner
Solange er für den Beginn der Hauptverhandlung den Text der
Anklageschrift/des Strafbefehlsantrags mitbringt...
Nicht nötig, kann er sich beim Vorsitzenden leihen.
Braucht der den Text nicht?
Der hat regelmäßig mehrere;
Wozu?
Post by Thomas Hochstein
irgendwann demletzt wurde der Kopierer
erfunden ...
Es kann also passieren, dass der Staatsanwalt dem Vorsitzenden zu Beginn
der Verhandlung gesteht, keine Anklageschrift zu besitzen, und dann
einer von beiden noch schnell kopieren geht?
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Eigentlich müsste das Gericht doch kontrollieren, ob die mündlich
vorgetragene Anklage mit der aus den Akten übereinstimmt.
Regelmäßig tut es das auch und liest mit.
Post by Stefan Schmitz
Welche Folgen hätte es, wenn es da wesentliche Unterschiede gäbe, die
mangels Kontrolle nicht auffallen?
Kommt drauf an, was im Protokoll steht.
(Normalerweise bei manueller Protokollführung auf Formular der
vorgedruckte Text, dass der Anklagesatz verlesen wurde, und bei
elektronischer Führung als Textdatei der Textbaustein, dass der
Anklagesatz verlesen wurde.)
Der Anklagesatz selbst wird also in keinem Fall protokolliert? Eine
falsche Verlesung kann somit keine Folgen haben. Dann kann man sich das
Verlesen auch gleich ganz sparen.
Thomas Hochstein
2022-01-29 18:55:40 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Der hat regelmäßig mehrere;
Wozu?
Weil neben dem Original ohnehin Ausfertigungen bzw. Abschriften benötigt
werden; der Angeklagte bekommt eine, sein Verteidiger ggf. auch, usw.,
deshalb gibt es regelmäßig mehr als gebraucht.
Post by Stefan Schmitz
Es kann also passieren, dass der Staatsanwalt dem Vorsitzenden zu Beginn
der Verhandlung gesteht, keine Anklageschrift zu besitzen,
Das kommt vor. Manchmal werden Verfahren bei Gericht verbunden, das wird
aber aus den verschiedensten Gründen bei der Staatsanwaltschaft nicht
(korrekt) erfasst; dann fehlt mindestens eine Anklageschrift. Oder es muss
kurzfristig jemand einspringen, bspw. wegen Erkrankung (oder Quarantäne);
der hat dann natürlich keinen Zugriff auf die Akten. Oder eine Akte
gelangt nicht schnell genug zum Sitzungsvertreter (oder ist gar nicht
auffindbar), wenn bspw. sehr kurzfristig ein Termin angesetzt wird, wenn
der interne Postlauf nicht funktioniert, Geschäftsstellen nicht besetzt
oder unterbesetzt sind (Erkrankung! Quarantäne!), usw.
Post by Stefan Schmitz
und dann einer von beiden noch schnell kopieren geht?
Meistens gibt es Überstücke.
Post by Stefan Schmitz
Der Anklagesatz selbst wird also in keinem Fall protokolliert?
Natürlich nicht.
Post by Stefan Schmitz
Dann kann man sich das Verlesen auch gleich ganz sparen.
Da ohnehin alle Beteiligten - ggf. mit Ausnahme der Schöffen - die
Anklageschrift haben, ist das tatsächlich eine weitgehend sinnfreie Übung,
die (wie die Verlesung von Urkunden) im Wesentlichen den Zweck haben
dürfte, der Öffentlichkeit das Nachverfolgen der Verhandlung möglich zu
machen (bzw. dem Angeklagten den Prozessstoff noch einmal vor Augen zu
führen). Das klappt je nach Länge und Verständlichkeit der Anklage und
Lesetempo mehr oder weniger gut.

-thh
--
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Thomas Hochstein
2022-01-04 19:41:23 UTC
Permalink
Die Bank drängt es
ihren Kunden auf, die Gemeinde-, Landes- und Bundesbehörden werden folgen
und die Gerichte werden sicher extra Postfächer haben.
Für die Behörden und Gerichte gilt, wie sich aus den gesetzlichen
Regelungen und den auf deren Grundlage ergangenen Verordnungen ergibt,
dass _ein_ (den Anforderungen entsprechendes) Postfach, das sich der
Bürger einrichtet, genügt.
Und dann wird
sicher bald jeder private Laden, bei dem man Kunde ist, einem nicht nur
die unerlässliche Kundenkarte aufschwatzen, sondern auch ein
höchstpersönliches elektronisches Postfach, und das wird als toller
Service zur Kommunikation mit dem Bürger bzw. Kunden betrachtet.
Das ist - innerhalb der Grenzen des (AGB-)Rechts - Gegenstand der
Vertragsfreiheit.

-thh
Marco Moock
2022-01-04 21:03:33 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Für die Behörden und Gerichte gilt, wie sich aus den gesetzlichen
Regelungen und den auf deren Grundlage ergangenen Verordnungen ergibt,
dass _ein_ (den Anforderungen entsprechendes) Postfach, das sich der
Bürger einrichtet, genügt.
Kann denn aktuell überhaupt ein Bürger dazu gezwungen werden, ein
solches Postfach zu besitzen?
Bisher kenne ich das nur aus dem Privatbereich, wo ein Kunde explizit
zustimmt, dass er beim Anbieter ein solches Postfach hat.
Sollte das aus staatlicher Sicht auch kommen, frage ich mich, wie das
funktionieren soll, vor allem dann, wenn es technische Störungen gibt.
Thomas Hochstein
2022-01-04 21:29:31 UTC
Permalink
Post by Marco Moock
Post by Thomas Hochstein
Für die Behörden und Gerichte gilt, wie sich aus den gesetzlichen
Regelungen und den auf deren Grundlage ergangenen Verordnungen ergibt,
dass _ein_ (den Anforderungen entsprechendes) Postfach, das sich der
Bürger einrichtet, genügt.
Kann denn aktuell überhaupt ein Bürger dazu gezwungen werden, ein
solches Postfach zu besitzen?
Natürlich nicht.
Thomas Hochstein
2022-01-05 07:25:33 UTC
Permalink
Ich hätte kein Problem damit, das mir einer auch irgendwelche Unterlagen
per elektronische Postkarte schickt (also per unverschlüsselter E-Mail),
aber das machen die Firmen nicht.
Regelmäßig deshalb, weil ihnen die Datenschutzbehörden das untersagen.
Stattdessen kommt allenfalls eine Lock-E-Mail: "Wir haben Ihnen eine
_persönliche_ Mitteilung in ihrem Kundenbereich hinterlegt!"
Sagen wir so: wenn die Rechtslage - oder zumindest die Rechtsauffassung
unabhängiger Behörden - nur die Varianten "Postversand", "Hinterlegung
im Kundenbereich ohne Information" und "Hinterlegung im Kundenbereich
mit Information" zulässt, freue ich mich über letzteres, so zum Beispiel
für Kontoauszüge bei meinen Banken.

Der Versand von Rechnungen ist meistens möglich,
Einzelgesprächsnachweise (als es sowas noch gab, weil nicht eh alles
Flatrate war) hingegen muss man abrufen.

So ist die schöne Datenschutzwelt.

-thh
--
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Martin Gerdes
2022-01-05 18:35:26 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Ich hätte kein Problem damit, das mir einer auch irgendwelche Unterlagen
per elektronische Postkarte schickt (also per unverschlüsselter E-Mail),
aber das machen die Firmen nicht.
Regelmäßig deshalb, weil ihnen die Datenschutzbehörden das untersagen.
... und zwar selbst dann, wenn ich als Kunde (und Betroffener) das
ausdrücklich erlauben würde. Nanny-Staat Deutschland :-(
Post by Thomas Hochstein
Stattdessen kommt allenfalls eine Lock-E-Mail: "Wir haben Ihnen eine
_persönliche_ Mitteilung in ihrem Kundenbereich hinterlegt!"
Sagen wir so: Wenn die Rechtslage - oder zumindest die Rechtsauffassung
unabhängiger Behörden - nur die Varianten "Postversand", "Hinterlegung
im Kundenbereich ohne Information" und "Hinterlegung im Kundenbereich
mit Information" zulässt, freue ich mich über letzteres, so zum Beispiel
für Kontoauszüge bei meinen Banken.
Me too.

Es gibt keine Informationsübermittlung ohne Informationsübermittlung, so
sehr sich verschiedene Leute auch darum bemühen. Bei mir kommen manchmal
Briefe in einem weißen Umschlag an, auf denen ausschließlich meine
Adresse steht. So kann der hochkriminielle Postbote nicht
herausbekommen, daß dieser Brief von meiner Bank stammt. Vielleicht aber
tastet er im Umschlag eine Verdickung passender Dimension (Das muß wohl
eine Plastikkarte sein!), die er dann (so er wirklich hochkriminell ist)
unterschlagen kann.

Zum Glück ist die Welt als ganzes nicht so hochkriminell, wie uns manche
Leute es glauben machen möchten.
Post by Thomas Hochstein
Der Versand von Rechnungen ist meistens möglich, Einzelgesprächsnachweise
(als es sowas noch gab, weil nicht eh alles Flatrate war) hingegen muss
man abrufen.
Das ist ein etwas anderes Thema, aber dennoch: Es kostet
Telekommunikationsfirmen nicht viel, aus ihrer Datenbank, die sie
ohnehin unterhalten oder unterhalten müssen, dem Kunden ein .pdf eines
Einzelverbindungsnachweises zu erstellen. Wen als Kunden ein solcher
Nachweis interessiert, den interessiert er auch dann, wenn seine
Telefonate pauschal abgerechnet werden.
Post by Thomas Hochstein
So ist die schöne Datenschutzwelt.
Ja. Wir ersticken noch einmal daran.

Wir sollten in der Öffentlichkeit nicht nur FFP2-Masken tragen (primär
aus Datenschutz-, allenfalls sekundär aus Infektionsschutzgründen),
sondern gleich Burka-ähnliche Kopfhauben. Anders ist die optische
Datenübertragung zu anderen Menschen nicht wirksam zu unterbinden. Man
stelle sich nur einmal vor, ich ginge durch die Fußgängerzone, und ein
Mitmensch aus meinem weiteren Bekanntenkreis würde mich am Gesicht
erkennen, ohne daß ich ihn vorher schriftlich mit notarieller
Beglaubigung dazu ermächtigt hätte! Das geht garnicht.
Thomas Hochstein
2022-01-04 19:39:19 UTC
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Post by Thomas Hochstein
| § 32d: Pflicht zur elektronischen Übermittlung
|
| Verteidiger und Rechtsanwälte sollen den Strafverfolgungsbehörden und
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Wie ist das denn mit Verteidigern, die keine Rechtsanwälte sind, z. B.
Hochschullehrer und der nach § 138 Abs. 2 als Verteidiger zugelassene
Nichtanwalt?
Auch die zum Verteidiger gewählten Hochschullehrer sind Verteidiger; für
die zugelassenen Verteidiger dürfte dasselbe gelten. Sie müssen sich
daher im Zweifel Zugang zu einem der zugelassenden Übermittlungswege
verschaffen, eine qualifizierte elektronische Signatur verwenden oder
die Erklärung zur Protokoll der Geschäftsstelle abgeben (vgl. bspw. §§
314 Abs. 1, 317, 341 Abs. 1, 345 Abs. 2 StPO).

-thh
Ulf Kutzner
2022-03-20 16:13:04 UTC
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Post by Thomas Hochstein
Zum Jahreswechsel ist der durch das "Gesetz zur Einführung der
elektronischen Akte in der Justiz und zur weiteren Förderung des
elektronischen Rechtsverkehrs" (EAkteJEG) vom 05.07.2017 eingeführte §
| § 32d: Pflicht zur elektronischen Übermittlung
|
| Verteidiger und Rechtsanwälte sollen den Strafverfolgungsbehörden und
| Gerichten Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich
| einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument
| übermitteln. Die Berufung und ihre Begründung, die Revision, ihre
| Begründung und die Gegenerklärung sowie die Privatklage und die
| Anschlusserklärung bei der Nebenklage müssen sie als elektronisches
| Dokument übermitteln. Ist dies aus technischen Gründen vorübergehend
| nicht möglich, ist die Übermittlung in Papierform zulässig. Die
| vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder
| unverzüglich danach glaubhaft zu machen; auf Anforderung ist ein
| elektronisches Dokument nachzureichen.
Damit soll der elektronische Rechtsverkehr auch im Strafrecht der
Regelfall werden; das ist recht früh, weil die elektronische Strafakte
(aufgrund der deutlich höheren Komplexität) ggü. der eletronischen
Aktenführung in den anderen Rechtsgebieten zeitlich deutlich zurückliegt
und sich zumeist erst in der Frühphase der Pilotierung befindet.
Im Gegensatz zu anderen Rechtsgebieten, bspw. dem Zivilrecht, wo für
professionelle Verfahrensbeteiligte eine umfassende Pflicht zur
elektronischen Übermittlung festgeschrieben ist (vgl. § 130d ZPO),
müssen im Strafrecht nur bestimmte Schriftsätze (im Wesentlichen
Rechtsmitteleinlegungen und -begründungen, Privat- und Nebenklage) für
ihre Wirksamkeit zwingend übermittelt werden.
Der unvertretene Nebenklägling kann also demnach immerhin weiter auf totem
Baum, handsigniert, einreichen und ggf. zurücknehmen. Moment, für Rücknahme
sehe ich ja auch bei Vertretern nur die Sollvorschrift, nicht den Formenzwang...
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