Post by Frank HucklenbroichPost by Thomas HochsteinWie unterscheiden sich denn die Voraussetzungen für die Aussetzung des
Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung und diejenigen für
die Erledigterklärung der Sicherungsverwahrung?
Wie oft wird letzteres denn geprüft? Bei der lebenslangen Freiheitsstrafe
doch wohl nach 15 Jahren. Gibt es dieses Recht bei der Sicherungsverwahrung
auch, und kommt es in der Praxis regelmäßig vor, daß man die nach einem
vergleichbaren Zeitraum aufhebt?
Bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe kann frühestens nach 15 Jahren eine
Entlassung stattfinden; dann wird der Rest der Strafe zur Bewährung
ausgesetzt, innerhalb der Bewährungszeit kann die Strafaussetzung
widerrufen werden. Voraussetzung ist, dass "bei dem Verurteilten keine
Gefahr mehr besteht, daß dessen durch die Tat zutage getretene
Gefährlichkeit fortbesteht"; das hat ein Gutachter zu prüfen (§ 454 Abs. 2
StPO).
Bei der Sicherungsverwahrung ist hingegen jedes Jahr zu prüfen, ob die
weitere Vollstreckung zur Bewährung aususetzen oder die Unterbringung für
erledigt zu erklären ist. Die Voraussetzungen sind dieselben wie bei der
Bewährungsaussetzung des Restes einer lebenslangen Freiheitsstrafe. Nach
10 Jahren wird die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung regelmäßig
für erledigt erklärt, es sei denn, dass "die Gefahr besteht, dass der
Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer
seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden". Wenn keine Entlassung
stattfindet, muss danach alle 9 Monate der weitere Vollzug geprüft werden.
Das heißt also:
Bei lebenslanger Freiheitsstrafe kommt der Verurteilte frühestens nach 15
Jahren auf Bewährung raus; frühestens dann wird das überhaupt erstmals
geprüft.
Bei der Sicherungsverwahrung ist hingegen jährlich zu prüfen; bereits nach
einem Jahr kann der Verurteilte "auf Bewährung" [1] - oder auch ohne! -
rauskommen. Nach 10 Jahren erfolgt im Regelfall die Entlassung; dann darf
sie nur unterbleiben, wenn schwere Straftaten drohen. Diese Entlassung
erfolgt dann ohne Bewährungszeit; es tritt zwar Führungsaufsicht ein, aber
man kann den Verurteilten nicht in die Sicherungsverwahrung zurückbringen.
Wenn also neben der lebenslangen Freiheitsstrafe auch die Unterbringung in
der Sicherungsverwahrung angeordnet wird, hat das für die Praxis in der
Regel keine Auswirkung. Wenn nämlich die Voraussetzungen zur Aussetzung
des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe zur Bewährung vorliegen,
liegen auch die Voraussetzungen vor, die die Aussetzung der Unterbringung
in der Sicherungsverwahrung zur Bewährung erfordern (§ 67c Abs. 1 StGB).
Post by Frank HucklenbroichIch dachte immer, das wäre in den meisten Fällen "endgültig".
Die Regelungen fluktuieren. Mal war regelmäßig nach 10 Jahren eine
Beendigung vorgesehen, dann hat man diese Vorschrift abgeschafft, dann
kamen die Entscheidungen des EGMR und BVerfG zur Sicherungsverwahrung, die
zu mehrfachen tiefgreifenden Änderungen führten [2]; jetzt ist wieder
vorgesehen, dass die Sicherungsverwahrung nur unter besonderen Umständen
länger als 10 Jahre andauern darf.
-thh
[1] Es tritt dann Führungsaufsicht ein.
[2] Was auch dazu führt, dass die verschiedenen Varianten der
Sicherungsverwahrung, vorbehaltenen Sicherungsverwahrung und nachträglich
angeordneten Sicherungsverwahrung kaum mehr durchschaubar sind; dazu kommt
noch das intertemporale Kollisionsrecht, d.h. die Prüfung, welches Recht
auf ältere Taten/Entscheidungen anzuwenden ist.
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