Susan Seitz
2005-01-22 14:19:13 UTC
Hi,
ich verstehe den Unterschied bei den folgenden 2 Fällen nicht, vielleicht
könntet Ihr mir ja auf die Sprünge helfen...:-)
Fall 1) A bittet Rechtsreferendar R, für ihn die anstehende BGB-Klausur zu
schreiben. R erscheint daraufhin am Tag der Klausur im Hörsaal und schreibt
die Arbeit, wobei er mit dem Namen des A unterschreibt und die Arbeit dann
abgibt.
Fall 2) A bittet Rechtsreferendar R, für ihn eine von R angefertigte und
geschriebene BGB-Klausur-Lösung (=Urkundenentwurf) zu verfassen, die A dann
selber am Tag der Prüfung im Hörsaal unterschreibt und dann abgibt.
Lösung zu Fall 1) Urkunde (+)
Problematisch ist, ob die Urkunde *unecht* ist. Anzuwenden ist die sog.
Geistigkeitstheorie in Abgrenzung zu Körperlichkeitstheorie. In der Klausur
ist als Aussteller der A angegeben, obwohl R sie geschrieben hat.
Entscheidend ist nach der ganz h.M. (Geistigkeitstheorie) nicht die
körperliche Erstellung, sondern die geistige Urheberschaft. Diese kann bei
einem Dritten liegen, der selbst nicht die Erklärung geschrieben hat, sich
diese aber zurechnen lassen will, wenn ein Fall der rechtsgeschäftlichen
Vertretung vorliegt.
Dazu müssen jedoch 3 Voraussetzungen vorliegen (betrifft im wesentlichen die
Beweiseignung): (1) Der Unterzeichner muss den Willen haben, den anderen zu
vertreten. (2) Der Vertretene muss damit einverstanden sein, dass der andere
in seinem Namen unterzeichnet und (3) Eine Vertretung bei der Abfassung der
Erklärung muss rechtlich zulässig sein.
An letzterer Voraussetzung fehlt es hier, da Übungsklausuren
höchstpersönlich anzufertigen sind. Aussteller ist demnach der R, weswegen
die Urkunde unecht ist. Abzustellen ist nämlich darauf, ob eine
Stellvertretung nach Gesetz oder der allgemeinen Anschauung zulässig ist.
Ergebnis: ---> A hat sich wegen Herstellen einer unechten Ukunde gem. §267
I 1 Alt. StGB und Gebrauchen (mit Abgabe an Aufsichtsperson) der unechten
Urkunde (§267 I 3. Alt.) strafbar gemacht. Konkurrenzen: Es liegt nur eine
Tat (Urkundenfälschung) vor.
Lösung zu Fall 2) Urkunde (+)
Problematisch ist wieder, ob die Urkunde *unecht*Ü ist. A macht sich die
fremde geistige Leistung des R zu eigen, indem er die vorgefertigte Lösung
mit seinem Namen unterschreibt. Dies stellt lediglich eine *inhaltlich
unwahre* aber KEINE(!) unechte Urkunde dar. A ist so selber zum Aussteller
der Klausur geworden. Die Urkunde ist echt!
Ergebnis: ---> A hat sich nicht wegen Herstellen einer unechten Urkunde gem.
§267 I 1.Alt. StGB strafbar gemacht. (Nur §274 I Nr.1 StGB könnte erfüllt
sein)
-------
Frage: Ich verstehe nicht recht den dogmatischen Unterschied zwischen den
beiden Lösungen. Wieso ist A bei Fall 1 wegen Urkundenfälschung strafbar,
bei FAll 2 jedoch nicht? Klar ist schon, dass es um das TB-Merkmal "unecht"
geht. Es kann doch aber nicht der alleinige Grund ausschlaggebend sein, dass
A bei 1) den R selber vor Ort "agieren" läßt, während er bei 2) *selber* vor
Ort ist und nur seinen Namen unter die vorgefertigte Lösung setzt! Wieso
benutzt man die "Geistigkeitstheorie" nicht auch bei FAll 2) und kommt so
zur Strafbarkeit des A? Was denkt Ihr dazu?
Lieben dank und schönes Week-End! :-)
ich verstehe den Unterschied bei den folgenden 2 Fällen nicht, vielleicht
könntet Ihr mir ja auf die Sprünge helfen...:-)
Fall 1) A bittet Rechtsreferendar R, für ihn die anstehende BGB-Klausur zu
schreiben. R erscheint daraufhin am Tag der Klausur im Hörsaal und schreibt
die Arbeit, wobei er mit dem Namen des A unterschreibt und die Arbeit dann
abgibt.
Fall 2) A bittet Rechtsreferendar R, für ihn eine von R angefertigte und
geschriebene BGB-Klausur-Lösung (=Urkundenentwurf) zu verfassen, die A dann
selber am Tag der Prüfung im Hörsaal unterschreibt und dann abgibt.
Lösung zu Fall 1) Urkunde (+)
Problematisch ist, ob die Urkunde *unecht* ist. Anzuwenden ist die sog.
Geistigkeitstheorie in Abgrenzung zu Körperlichkeitstheorie. In der Klausur
ist als Aussteller der A angegeben, obwohl R sie geschrieben hat.
Entscheidend ist nach der ganz h.M. (Geistigkeitstheorie) nicht die
körperliche Erstellung, sondern die geistige Urheberschaft. Diese kann bei
einem Dritten liegen, der selbst nicht die Erklärung geschrieben hat, sich
diese aber zurechnen lassen will, wenn ein Fall der rechtsgeschäftlichen
Vertretung vorliegt.
Dazu müssen jedoch 3 Voraussetzungen vorliegen (betrifft im wesentlichen die
Beweiseignung): (1) Der Unterzeichner muss den Willen haben, den anderen zu
vertreten. (2) Der Vertretene muss damit einverstanden sein, dass der andere
in seinem Namen unterzeichnet und (3) Eine Vertretung bei der Abfassung der
Erklärung muss rechtlich zulässig sein.
An letzterer Voraussetzung fehlt es hier, da Übungsklausuren
höchstpersönlich anzufertigen sind. Aussteller ist demnach der R, weswegen
die Urkunde unecht ist. Abzustellen ist nämlich darauf, ob eine
Stellvertretung nach Gesetz oder der allgemeinen Anschauung zulässig ist.
Ergebnis: ---> A hat sich wegen Herstellen einer unechten Ukunde gem. §267
I 1 Alt. StGB und Gebrauchen (mit Abgabe an Aufsichtsperson) der unechten
Urkunde (§267 I 3. Alt.) strafbar gemacht. Konkurrenzen: Es liegt nur eine
Tat (Urkundenfälschung) vor.
Lösung zu Fall 2) Urkunde (+)
Problematisch ist wieder, ob die Urkunde *unecht*Ü ist. A macht sich die
fremde geistige Leistung des R zu eigen, indem er die vorgefertigte Lösung
mit seinem Namen unterschreibt. Dies stellt lediglich eine *inhaltlich
unwahre* aber KEINE(!) unechte Urkunde dar. A ist so selber zum Aussteller
der Klausur geworden. Die Urkunde ist echt!
Ergebnis: ---> A hat sich nicht wegen Herstellen einer unechten Urkunde gem.
§267 I 1.Alt. StGB strafbar gemacht. (Nur §274 I Nr.1 StGB könnte erfüllt
sein)
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Frage: Ich verstehe nicht recht den dogmatischen Unterschied zwischen den
beiden Lösungen. Wieso ist A bei Fall 1 wegen Urkundenfälschung strafbar,
bei FAll 2 jedoch nicht? Klar ist schon, dass es um das TB-Merkmal "unecht"
geht. Es kann doch aber nicht der alleinige Grund ausschlaggebend sein, dass
A bei 1) den R selber vor Ort "agieren" läßt, während er bei 2) *selber* vor
Ort ist und nur seinen Namen unter die vorgefertigte Lösung setzt! Wieso
benutzt man die "Geistigkeitstheorie" nicht auch bei FAll 2) und kommt so
zur Strafbarkeit des A? Was denkt Ihr dazu?
Lieben dank und schönes Week-End! :-)
--
Viele Grüße
Susan
Die Adresse im From ist replyfähig, wird aber nur sporadisch gelesen!
Viele Grüße
Susan
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