Post by Thomas HochsteinPost by Martin GerdesAuf diesem Wahlplakat war ein Hakenkreuz
abgebildet, und zwar völlig unmißverständlich durchgestrichen.
Über Geschmack lässt sich nicht streiten.
Post by Martin GerdesEine solche Verwendung [von Nazi-]Symbolik hat eine formalistische
deutsche Justiz in der Vergangenheit regelmäßig als verbotene
Benutzung von Nazi-Symbolen bestraft.
Ja, und nicht wegen "Formalismus", sondern weil der Zweck der
Strafvorschriften _auch_ ist, NS-Symbole und NS-Propagande aus dem
öffentlichen Raum zu verbannen. Dem ist es abträglich, wenn auch zulässig,
sie in abgewandelter Form zu verbreiten.
Diese Meinung kann man vertreten, man muß sie aber nicht vertreten.
Man sollte wissen, welche Bedeutung das Hakenkreuz in der deutschen
Geschichte hatte, deswegen ist es unvermeidlich, daß man das Symbol
kennt. Ich halte es für affig, das Hakenkreuz aus historischen Photos
herauszuretuschieren, wie es manche Übereifrige tun. Ganz generell bin
ich der Auffassung, daß Übereifer schadet.
Bei Licht besehen ist die aktuelle Zeitströmung des Wokismus ziemlich
totalitär, denn sein Ziel ist es, daß alle Leute so woke sein sollen wie
die Wokies selbst. Just das ist das Kennzeichnen des Totalitarismus.
Äußere diese Meinung mal in den entsprechenden Kreisen! Man wird Dir
dafür die Augen auskratzen, was mein Argument bestätigt.
Post by Thomas HochsteinMan kann Nazis auch ohne das Durchstreichen von Hakenkreuzen (politisch)
bekämpfen.
Der Meinung bin ich auch. Ich muß dieses Plakat mit dem Strichmännchen,
das ein Hakenkreuz in den Papierkorb wirft, auch nicht haben, weil mir
das nämlich in der anderen Richtung zu explizit ist. Aber ich falle
nicht gleich in Ohnmacht, wenn ich es sehe. Zu einer liberalen
Grundhaltung gehört ein breiter Rücken.
Post by Thomas HochsteinMan wäre mutmaßlich sogar sehr viel erfolgreicher damit, wenn man
nicht alles, was man ablehnt, als "faschistisch" oder "Nazi" bezeichnet,
weil man damit diese Begriffe letztlich ihres spezifischen Sinnes
entleert.
D'accord.
Ich bin mal interessehalber der Definition des Begriffes "Faschismus"
nachgegangen und habe zu meinem Erstaunen festgestellt, daß es eine
solche überhaupt nicht gibt. Wem jetzt ob dieser meiner Einsicht der
Kamm schwillt, möge sich hinsetzen und in zwei, drei Sätzen eine klare
Definition aufschreiben. Ich habe das versucht und nicht hinbekommen.
Post by Thomas HochsteinDas ist derselbe Gedanke, der dem Verbot der NS-Symbole zugrundeliegt,
aber manch einem leider wohl zu hoch.
Es gibt eine Reihe von Filmen aus der Nazi-Zeit, die bis heute nicht
ohne fachliche Begleitung öffentlich gezeigt werden dürfen. Ich hatte
vor einigen Jahren die Gelegenheit, einen solchen "Vorbehaltsfilm" zu
sehen (nämlich "Kolberg"), und habe diese Gelegenheit beim Schopf
gepackt. Das Kino war spärlichst besetzt, der Film hat mir keinen
nachhaltigen Eindruck gemacht, insbesondere habe ich mich gefragt, was
an diesem Film auch heute noch, nach 80 Jahren so gefährlich macht, daß
man ihn im Panzerschrank aufbewahren muß. Das konnte mir der fachliche
Begleiter auf meine gezielte Nachfrage auch nicht erklären.
Übrigens: Selbst in der berühmten Feuerzangenbowle ("Schöler!") fänden
sich Nazi-Ansätze, die mir bisher in Jahrzehnten noch nie aufgefallen
waren. Bei Aufführungen in Studentenkreisen werde die betreffende Figur
regelmäßig ausgepfiffen.
Eine Volte, die wohl nur das Leben selbst schlagen kann, ist die
Tatsache, daß die Aufführungsrechte dieses Filmes momentan bei einer
Frau liegen, die in der AfD engagiert ist. :-)
Neulich mal bin ich auf die Seite https://www.politicalcompass.org/
geraten, die Parteien aus den verschiedensten Ländern politisch taxiert,
und zwar nach zwei Kriterien: Wirtschaftlich links und rechts, also
kapitalistisch und kommunistisch, und dann - senkrecht dazu - nach dem
Kriterium liberal oder autoritär.
Zu meiner Verblüffung finden sich alle nennenswerten deutschen Parteien
außer der Linken im ersten Quadranten (also: eher kapitalistisch und
eher autoritär)
https://www.politicalcompass.org/germany2021
Besonders bemerkenswert finde ich die Wanderung der Grünen zwischen 2013
und 2021 von links unten nach rechts oben. Ok: Eine Heizungswende mit
der Brechstange ist in der Tat eher autoritär als liberal.
Wenn man auf der Seite herumstöbert, findet man noch eine Reihe anderer
interessanter Details, auf die ich hier nicht weiter eingehe.
Auch sich selbst kann man dort einstufen lassen. Ich war ob meines
eigenen Ergebnisses doch recht erstaunt.