Discussion:
Ab wann gilt ein Urteil als gesprochen
(zu alt für eine Antwort)
Gerald Gruner
2021-08-01 18:01:27 UTC
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Gerade lese ich in den "Twitterperlen" folgendes:

| Richter:
| "Der Angeklagte wird freigesprochen. Der ihm zur Last gelegte
| Diebstahl konnte nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen
| werden."
|
| Angeklagter: "Heißt das, die Handys gehören jetzt mir?"
|
| Leise rieseln die Anwaltstränen...

Mal angenommen, das war so, nun die Frage:
Kann der Richter sein Urteil "Der Angeklagte wird freigesprochen." in
diesem Moment noch abändern?
Bzw. bis wann kann der Richter es noch ändern, wenn z.B, dem Angeklagten
ein Geständnis rausrutscht?

Allgemein:
Ab wann ist ein verkündetes Urteil gültig (ohne in die nächste Instanz zu
müssen)?
Bis zum Beginn der Verlesung?
Bis zum Verkünden des obigen Freispruchs?
Bis zum Ende der Verlesung?
Oder später?

Oder gilt es bereits, aber der STA hat es recht leicht mit der Berufung?

MfG
Gerald
--
Most self-described "pacifists" are not pacific; they simply assume
false colors. When the wind changes, they hoist the Jolly Roger.
- Robert A. Heinelein in "The Notebooks of Lazarus Long"
Wolfgang Fieg
2021-08-02 15:55:23 UTC
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Post by Gerald Gruner
...
Ab wann ist ein verkündetes Urteil gültig (ohne in die nächste Instanz zu
müssen)?
Mit dem Ende der Verkündung, d. h., wenn die Urteilsformel ("Tenor")
vollständig verlesen wurde. An ein verkündetes Urteil ist das Gericht
gebunden. Hat der Richter falsch verkündet, z. B. weil er im
Zivilprozess in einem Fall, in dem, er die Klage eigentlich abweisen
wollte, verurteilt hat, muss er das in die Gründe reinschreiben

("Das verkündete Urteil ist falsch. Die Klage hätte abgewiesen werden
müssen ... usw.")

und die (nach seiner Auffassung zu Unrecht) unterlegene Partei auf den
Rechtsmittelweg verweisen.

Gesteht im Strafprozess der Angeklagte nach der freisprechenden
Urteilsverkündung, kommt es darauf an: Ist Berufung zulässig, wird der
StA natürlich in die Berufung gehen. Passiert das im ersten Rechtszug
bei der großen Strafkammer (keine Berufung!) dürfte das nachträgliche
Geständnis für sich genommen kein Revisionsgrund sein, wenn die
tatrichterliche Würdigung aufgrund der Hauptverhandlung den Freispruch
trägt. Dann bleibt nur die Wiederaufnahme (§ 362 Nr. 4 StPO -
glaubwürdiges Geständnis).

Wolfgang
Gerald Gruner
2021-08-03 17:56:27 UTC
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Post by Wolfgang Fieg
Post by Gerald Gruner
...
Ab wann ist ein verkündetes Urteil gültig (ohne in die nächste Instanz zu
müssen)?
Mit dem Ende der Verkündung, d. h., wenn die Urteilsformel ("Tenor")
vollständig verlesen wurde. An ein verkündetes Urteil ist das Gericht
gebunden. Hat der Richter falsch verkündet, z. B. weil er im
Zivilprozess in einem Fall, in dem, er die Klage eigentlich abweisen
wollte, verurteilt hat, muss er das in die Gründe reinschreiben
("Das verkündete Urteil ist falsch. Die Klage hätte abgewiesen werden
müssen ... usw.")
und die (nach seiner Auffassung zu Unrecht) unterlegene Partei auf den
Rechtsmittelweg verweisen.
Gesteht im Strafprozess der Angeklagte nach der freisprechenden
Urteilsverkündung, kommt es darauf an: Ist Berufung zulässig, wird der
StA natürlich in die Berufung gehen. Passiert das im ersten Rechtszug
bei der großen Strafkammer (keine Berufung!) dürfte das nachträgliche
Geständnis für sich genommen kein Revisionsgrund sein, wenn die
tatrichterliche Würdigung aufgrund der Hauptverhandlung den Freispruch
trägt. Dann bleibt nur die Wiederaufnahme (§ 362 Nr. 4 StPO -
glaubwürdiges Geständnis).
Danke für die Info.

MfG
Gerald
--
Das Problem sind die ganz jungen die Snowflakes. Die mit 30 noch bei
Mama oder in einer WG leben. Die safe spaces brauchen keine space ships.
Viele von denen sind Mental in einem Zustand, das sie nicht mal wissen
ob sie Männchen oder Weibchen sind.
- FLxxxxT auf heise.de
Stefan Schmitz
2021-08-03 20:49:50 UTC
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Post by Wolfgang Fieg
Post by Gerald Gruner
...
Ab wann ist ein verkündetes Urteil gültig (ohne in die nächste Instanz zu
müssen)?
Mit dem Ende der Verkündung, d. h., wenn die Urteilsformel ("Tenor")
vollständig verlesen wurde. An ein verkündetes Urteil ist das Gericht
gebunden. Hat der Richter falsch verkündet, z. B. weil er im
Zivilprozess in einem Fall, in dem, er die Klage eigentlich abweisen
wollte, verurteilt hat, muss er das in die Gründe reinschreiben
("Das verkündete Urteil ist falsch. Die Klage hätte abgewiesen werden
müssen ... usw.")
und die (nach seiner Auffassung zu Unrecht) unterlegene Partei auf den
Rechtsmittelweg verweisen.
Und was, wenn er bei der Verkündung versehentlich ein falsches Urteil
verkündet (z.B. Verlesung des Urteils aus einem anderen Fall), ohne sich
bei der schriftlichen Ausarbeitung daran zu erinnern?
Dann schreibt er eine Begründung, die nicht zur Verkündung passt.
Welches Urteil ist dann das gültige?
(Oder ist der Fall ausgeschlossen, weil im Protokoll steht, was er
verkündet hat?)
Post by Wolfgang Fieg
Gesteht im Strafprozess der Angeklagte nach der freisprechenden Urteilsverkündung,
kommt es darauf an: Ist Berufung zulässig, wird der StA natürlich in die
Berufung gehen. Passiert das im ersten Rechtszug bei der großen
Strafkammer (keine Berufung!) dürfte das nachträgliche Geständnis für
sich genommen kein Revisionsgrund sein, wenn die tatrichterliche
Würdigung aufgrund der Hauptverhandlung den Freispruch trägt. Dann
bleibt nur die Wiederaufnahme (§ 362 Nr. 4 StPO - glaubwürdiges
Geständnis).

Und wenn das Geständnis in die Begründung aufgenommen wird? Dann trägt
die Begründung den Freispruch nicht, und eine Revision sollte durchgehen.
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