Discussion:
Täter-Opfer-Ausgleich
(zu alt für eine Antwort)
Stefan Schmitz
2022-05-15 08:46:26 UTC
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Nach § 46a StGB obliegt dem Gericht die Entscheidung, ob nach einer
Wiedergutmachung der Tat bzw. Entschädigung des Opfers eine Strafe
gemildert wird.
§ 153a StPO ermöglicht den Täter-Opfer-Ausgleich als Weisung bei
vorläufigem Absehen von der Strafverfolgung, auch nur mit Zustimmung des
Gerichts.

Gibt es es im Rahmen der Ermittlungen keine Möglichkeit, das Verfahren
ohne Beteiligung des Gerichts komplett einzustellen, weil es zum
Täter-Opfer-Ausgleich gekommen ist?

So mancher Verletzte einer Straftat zeigt diese nur deswegen an, damit
der Täter sein Unrecht einsieht und wieder gutmacht. Da wäre es
praktisch, ihm die Möglichkeit zu geben, bei Erreichen dieses Ziels die
Ermittlungen beenden zu lassen. Kann er (abseits von Antragsdelikten)
etwas dazu beitragen, dass das Verfahren dann eingestellt wird, wenn
sein Interesse an einer Verfolgung erledigt ist?
Damit würden auch Verhandlungen zwischen Täter und Opfer erleichtert,
weil Täter eine Anzeige oft als Eskalation des Konflikts betrachten.
(Oder die "Rücknahme" der Anzeige als Bedingung für weitere Gespräche
verlangen.)
Thomas Hochstein
2022-05-15 09:26:28 UTC
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Post by Stefan Schmitz
§ 153a StPO ermöglicht den Täter-Opfer-Ausgleich als Weisung bei
vorläufigem Absehen von der Strafverfolgung, auch nur mit Zustimmung des
Gerichts.
... wenn es sich um eine Tat handelt, die mit einer erhöhten Mindeststrafe
bedroht ist oder wenn die durch die Tat verursachten Folgen nicht mehr
gering sind.
Post by Stefan Schmitz
Gibt es es im Rahmen der Ermittlungen keine Möglichkeit, das Verfahren
ohne Beteiligung des Gerichts komplett einzustellen, weil es zum
Täter-Opfer-Ausgleich gekommen ist?
Doch, nach § 135a StPO, wenn das Gesetz - wie regelmäßig - keine erhöhte
Mindeststrafdrohung ("... wird mit Freiheitsstrafe von 3/6 Monaten bis ...
oder Geldstrafe ...") vorsieht und die Folgen der Tat gering sind.
Post by Stefan Schmitz
So mancher Verletzte einer Straftat zeigt diese nur deswegen an, damit
der Täter sein Unrecht einsieht und wieder gutmacht.
Eine leicht skurrile Vorgehensweise, nachdem das Strafverfahren in erster
Linie auf Strafe hinausläuft und der Verletzte keinen Einfluss darauf hat,
ob es zu einer Strafe, einer Wiedergutmachung, einer Einstellung ohne
Auflagen, einer Verweisung auf den Privatklageweg usw. kommt.

Wer möchte, dass der Täter sein Unrecht einsieht und es wieder gutmacht,
würde sinnvollerweise mit dem Täter Kontakt aufnehmen, ihn damit
konfrontieren und zur Wiedergutmachung auffordern. Aber das ist vielleicht
zu einfach gedacht.
Post by Stefan Schmitz
Da wäre es praktisch, ihm die Möglichkeit zu geben, bei Erreichen dieses
Ziels die Ermittlungen beenden zu lassen.
Das Strafverfahren unterliegt nicht der Kontrolle des Verletzten.
Post by Stefan Schmitz
Damit würden auch Verhandlungen zwischen Täter und Opfer erleichtert,
weil Täter eine Anzeige oft als Eskalation des Konflikts betrachten.
(Oder die "Rücknahme" der Anzeige als Bedingung für weitere Gespräche
verlangen.)
Auch das spricht dafür, statt eine Anzeige zu verhandeln, oder nicht?

-thh
Stefan Schmitz
2022-05-15 12:11:08 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
§ 153a StPO ermöglicht den Täter-Opfer-Ausgleich als Weisung bei
vorläufigem Absehen von der Strafverfolgung, auch nur mit Zustimmung des
Gerichts.
... wenn es sich um eine Tat handelt, die mit einer erhöhten Mindeststrafe
bedroht ist oder wenn die durch die Tat verursachten Folgen nicht mehr
gering sind.
Post by Stefan Schmitz
Gibt es es im Rahmen der Ermittlungen keine Möglichkeit, das Verfahren
ohne Beteiligung des Gerichts komplett einzustellen, weil es zum
Täter-Opfer-Ausgleich gekommen ist?
Doch, nach § 135a StPO, wenn das Gesetz - wie regelmäßig - keine erhöhte
Mindeststrafdrohung ("... wird mit Freiheitsstrafe von 3/6 Monaten bis ...
oder Geldstrafe ...") vorsieht und die Folgen der Tat gering sind.
Ich nehme an, 135a war ein Tippfehler.
In § 135a StPO finde ich keinen Hinweis auf eine Entbehrlichkeit von
"Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen
Gerichts".
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
So mancher Verletzte einer Straftat zeigt diese nur deswegen an, damit
der Täter sein Unrecht einsieht und wieder gutmacht.
Eine leicht skurrile Vorgehensweise, nachdem das Strafverfahren in erster
Linie auf Strafe hinausläuft und der Verletzte keinen Einfluss darauf hat,
ob es zu einer Strafe, einer Wiedergutmachung, einer Einstellung ohne
Auflagen, einer Verweisung auf den Privatklageweg usw. kommt.
Ich habe schon mehrfach Zeugenaussagen eines Opfers gehört, wonach es
ihm nicht auf die Bestrafung des Angeklagten ankommt.
Ich finde es eher skurril, wenn diese trotzdem auf Biegen und Brechen
durchgezogen wird, ohne die Interessen des Opfers zu beachten. Während
es im Kontrast dazu einen Katalog von Taten gibt, deren Verfolgung
absolut vom Willen des Opfers abhängig sind.
Post by Thomas Hochstein
Wer möchte, dass der Täter sein Unrecht einsieht und es wieder gutmacht,
würde sinnvollerweise mit dem Täter Kontakt aufnehmen, ihn damit
konfrontieren und zur Wiedergutmachung auffordern. Aber das ist vielleicht
zu einfach gedacht.
Stell dir vor, es gibt Täter, die daran kein Interesse haben.
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Da wäre es praktisch, ihm die Möglichkeit zu geben, bei Erreichen dieses
Ziels die Ermittlungen beenden zu lassen.
Das Strafverfahren unterliegt nicht der Kontrolle des Verletzten.
Unschön.

Hätte es trotzdem Einfluss auf das Vorgehen der Polizei, wenn er
mitteilte, dass es ihm nicht um Strafe, sondern um Wiedergutmachung geht?
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Damit würden auch Verhandlungen zwischen Täter und Opfer erleichtert,
weil Täter eine Anzeige oft als Eskalation des Konflikts betrachten.
(Oder die "Rücknahme" der Anzeige als Bedingung für weitere Gespräche
verlangen.)
Auch das spricht dafür, statt eine Anzeige zu verhandeln, oder nicht?7
Wenn der Täter wie häufig der Ansicht ist, nichts Unrechtes getan zu
haben, sind Verhandlungen sinnlos.
Ein wenig Druck durch Polizeikontakt kann die vorher nicht vorhandene
Verhandlungsbereitschaft plötzlich herbeizaubern.

Ich habe so einen Fall selbst mal erlebt. Übelste Drohungen seitens
eines eBay-Käufers angezeigt. Nachdem die Polizei mit ihm gesprochen
hatte, meldete er sich bei mir mit einer aufrichtigen Entschuldigung und
einem Angebot zur Entschädigung. Ohne diesen Schritt wäre das undenkbar
gewesen. Da hatte ich allerdings via Strafantrag Einfluss auf das Verfahren.
Thomas Hochstein
2022-05-15 12:31:33 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Gibt es es im Rahmen der Ermittlungen keine Möglichkeit, das Verfahren
ohne Beteiligung des Gerichts komplett einzustellen, weil es zum
Täter-Opfer-Ausgleich gekommen ist?
Doch, nach § 135a StPO, wenn das Gesetz - wie regelmäßig - keine erhöhte
Mindeststrafdrohung ("... wird mit Freiheitsstrafe von 3/6 Monaten bis ...
oder Geldstrafe ...") vorsieht und die Folgen der Tat gering sind.
Ich nehme an, 135a war ein Tippfehler.
In § 135a StPO finde ich keinen Hinweis auf eine Entbehrlichkeit von
"Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen
Gerichts".
Versuch's mal mit § 153a Abs. 1 S. 7 i.V.m. § 153 Abs. 1 S. 2 StPO.
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Eine leicht skurrile Vorgehensweise, nachdem das Strafverfahren in erster
Linie auf Strafe hinausläuft und der Verletzte keinen Einfluss darauf hat,
ob es zu einer Strafe, einer Wiedergutmachung, einer Einstellung ohne
Auflagen, einer Verweisung auf den Privatklageweg usw. kommt.
Ich habe schon mehrfach Zeugenaussagen eines Opfers gehört, wonach es
ihm nicht auf die Bestrafung des Angeklagten ankommt.
Dann macht eine Strafanzeige wenig Sinn.
Post by Stefan Schmitz
Ich finde es eher skurril, wenn diese trotzdem auf Biegen und Brechen
durchgezogen wird, ohne die Interessen des Opfers zu beachten.
Die Interessen des Verletzten sind ein zu beachtender Faktor, aber weder
für eine Entscheidung für noch gegen eine Ahndung mit Kriminalstrafe
ausschlaggebend.
Post by Stefan Schmitz
Während
es im Kontrast dazu einen Katalog von Taten gibt, deren Verfolgung
absolut vom Willen des Opfers abhängig sind.
Das sind in der Regel Taten mit Bezug zum persönlichen Lebensbereich, bei
denen eine Verfolgung gegen den Willen des Verletzten nicht möglich sein
soll (bspe. § 247 StGB), oder Bagatelldelikte, bei denen eine
Strafverfolgung nur erfolgen soll, wenn der Verletzte sich so ... nun ja,
verletzt fühlt, dass er Strafantrag stellt (bspw. § 123 StGB).
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Wer möchte, dass der Täter sein Unrecht einsieht und es wieder gutmacht,
würde sinnvollerweise mit dem Täter Kontakt aufnehmen, ihn damit
konfrontieren und zur Wiedergutmachung auffordern. Aber das ist vielleicht
zu einfach gedacht.
Stell dir vor, es gibt Täter, die daran kein Interesse haben.
Wenn das der Fall ist und _dann_ eine Ahndung erfolgen soll, könnte man
dann Strafanzeige erstatten.
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Da wäre es praktisch, ihm die Möglichkeit zu geben, bei Erreichen dieses
Ziels die Ermittlungen beenden zu lassen.
Das Strafverfahren unterliegt nicht der Kontrolle des Verletzten.
Unschön.
Nein, wichtig.
Post by Stefan Schmitz
Hätte es trotzdem Einfluss auf das Vorgehen der Polizei, wenn er
mitteilte, dass es ihm nicht um Strafe, sondern um Wiedergutmachung geht?
Möglicherweise. Das ist jedenfalls ein gutes Argument für eine Verweisung
auf den Privatklageweg, wo das möglich ist, oder eine Einstellung nach §
153 StPO wegen fehlenden Strafverfolgungsinteresses ...
Post by Stefan Schmitz
Wenn der Täter wie häufig der Ansicht ist, nichts Unrechtes getan zu
haben, sind Verhandlungen sinnlos.
Ein wenig Druck durch Polizeikontakt kann die vorher nicht vorhandene
Verhandlungsbereitschaft plötzlich herbeizaubern.
Ich sage mal so: die Begeisterung für die nicht seltene Zweckentfremdung
des Strafverfahrens als Druckmittel für Verhandlungen stößt bei den
Strafverfolgungsbehörden auf nur überschaubare Begeisterung.

-thh
Stefan Schmitz
2022-05-15 13:45:43 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Gibt es es im Rahmen der Ermittlungen keine Möglichkeit, das Verfahren
ohne Beteiligung des Gerichts komplett einzustellen, weil es zum
Täter-Opfer-Ausgleich gekommen ist?
Doch, nach § 135a StPO, wenn das Gesetz - wie regelmäßig - keine erhöhte
Mindeststrafdrohung ("... wird mit Freiheitsstrafe von 3/6 Monaten bis ...
oder Geldstrafe ...") vorsieht und die Folgen der Tat gering sind.
Ich nehme an, 135a war ein Tippfehler.
In § 135a StPO finde ich keinen Hinweis auf eine Entbehrlichkeit von
"Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen
Gerichts".
Versuch's mal mit § 153a Abs. 1 S. 7 i.V.m. § 153 Abs. 1 S. 2 StPO.
Ahja, gut versteckt.
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Eine leicht skurrile Vorgehensweise, nachdem das Strafverfahren in erster
Linie auf Strafe hinausläuft und der Verletzte keinen Einfluss darauf hat,
ob es zu einer Strafe, einer Wiedergutmachung, einer Einstellung ohne
Auflagen, einer Verweisung auf den Privatklageweg usw. kommt.
Ich habe schon mehrfach Zeugenaussagen eines Opfers gehört, wonach es
ihm nicht auf die Bestrafung des Angeklagten ankommt.
Dann macht eine Strafanzeige wenig Sinn.
Eine solche Aussage wird dann gern zum einen als Zeichen der
Glaubwürdigkeit angesehen (keine Belastungstendenz), erhöht zum anderen
die Bereitschaft des Gerichts zu einem milden Urteil.
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Ich finde es eher skurril, wenn diese trotzdem auf Biegen und Brechen
durchgezogen wird, ohne die Interessen des Opfers zu beachten.
Die Interessen des Verletzten sind ein zu beachtender Faktor, aber weder
für eine Entscheidung für noch gegen eine Ahndung mit Kriminalstrafe
ausschlaggebend.
Post by Stefan Schmitz
Während
es im Kontrast dazu einen Katalog von Taten gibt, deren Verfolgung
absolut vom Willen des Opfers abhängig sind.
Das sind in der Regel Taten mit Bezug zum persönlichen Lebensbereich, bei
denen eine Verfolgung gegen den Willen des Verletzten nicht möglich sein
soll (bspe. § 247 StGB), oder Bagatelldelikte, bei denen eine
Strafverfolgung nur erfolgen soll, wenn der Verletzte sich so ... nun ja,
verletzt fühlt, dass er Strafantrag stellt (bspw. § 123 StGB).
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Wer möchte, dass der Täter sein Unrecht einsieht und es wieder gutmacht,
würde sinnvollerweise mit dem Täter Kontakt aufnehmen, ihn damit
konfrontieren und zur Wiedergutmachung auffordern. Aber das ist vielleicht
zu einfach gedacht.
Stell dir vor, es gibt Täter, die daran kein Interesse haben.
Wenn das der Fall ist und _dann_ eine Ahndung erfolgen soll, könnte man
dann Strafanzeige erstatten.
Was, wenn die Anzeige direkt nach der Tat aus der Emotion heraus
erstattet wird und man später erst auf die Verhandlungsidee kommt?
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Da wäre es praktisch, ihm die Möglichkeit zu geben, bei Erreichen dieses
Ziels die Ermittlungen beenden zu lassen.
Das Strafverfahren unterliegt nicht der Kontrolle des Verletzten.
Unschön.
Nein, wichtig.
Post by Stefan Schmitz
Hätte es trotzdem Einfluss auf das Vorgehen der Polizei, wenn er
mitteilte, dass es ihm nicht um Strafe, sondern um Wiedergutmachung geht?
Möglicherweise. Das ist jedenfalls ein gutes Argument für eine Verweisung
auf den Privatklageweg, wo das möglich ist, oder eine Einstellung nach §
153 StPO wegen fehlenden Strafverfolgungsinteresses ...
In § 153 ist die Rede vom öffentlichen Interesse. Das kann ja wohl nicht
von einer solchen Mitteilung abhängen.
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Wenn der Täter wie häufig der Ansicht ist, nichts Unrechtes getan zu
haben, sind Verhandlungen sinnlos.
Ein wenig Druck durch Polizeikontakt kann die vorher nicht vorhandene
Verhandlungsbereitschaft plötzlich herbeizaubern.
Ich sage mal so: die Begeisterung für die nicht seltene Zweckentfremdung
des Strafverfahrens als Druckmittel für Verhandlungen stößt bei den
Strafverfolgungsbehörden auf nur überschaubare Begeisterung.
Was wäre dann jemandem zu empfehlen, der bereits Anzeige erstattet hat
und jetzt zur Zeugenaussage aufgefordert wird, aber gern verhandeln würde?
Thomas Hochstein
2022-05-17 20:34:17 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Hätte es trotzdem Einfluss auf das Vorgehen der Polizei, wenn er
mitteilte, dass es ihm nicht um Strafe, sondern um Wiedergutmachung geht?
Möglicherweise. Das ist jedenfalls ein gutes Argument für eine Verweisung
auf den Privatklageweg, wo das möglich ist, oder eine Einstellung nach §
153 StPO wegen fehlenden Strafverfolgungsinteresses ...
In § 153 ist die Rede vom öffentlichen Interesse. Das kann ja wohl nicht
von einer solchen Mitteilung abhängen.
Warum nicht? Wenn der Geschädigte dem Beschuldigten verziehen hat, kann
das dafür sprechen, dass die Strafverfolgung kein gegenwärtiges Anliegen
der Allgemeinheit mehr ist.
Post by Stefan Schmitz
Was wäre dann jemandem zu empfehlen, der bereits Anzeige erstattet hat
und jetzt zur Zeugenaussage aufgefordert wird, aber gern verhandeln würde?
Zu verhandeln?

-thh
Stefan Schmitz
2022-05-17 21:26:42 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Hätte es trotzdem Einfluss auf das Vorgehen der Polizei, wenn er
mitteilte, dass es ihm nicht um Strafe, sondern um Wiedergutmachung geht?
Möglicherweise. Das ist jedenfalls ein gutes Argument für eine Verweisung
auf den Privatklageweg, wo das möglich ist, oder eine Einstellung nach §
153 StPO wegen fehlenden Strafverfolgungsinteresses ...
In § 153 ist die Rede vom öffentlichen Interesse. Das kann ja wohl nicht
von einer solchen Mitteilung abhängen.
Warum nicht? Wenn der Geschädigte dem Beschuldigten verziehen hat, kann
das dafür sprechen, dass die Strafverfolgung kein gegenwärtiges Anliegen
der Allgemeinheit mehr ist.
Er hat ja nicht verziehen, solange es keine Wiedergutmachung gibt.

Außerdem interessiert die Allgemeinheit ja das Befinden des Geschädigten
nicht, wie du zuvor ausführlich erklärt hast.
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Was wäre dann jemandem zu empfehlen, der bereits Anzeige erstattet hat
und jetzt zur Zeugenaussage aufgefordert wird, aber gern verhandeln würde?
Zu verhandeln?
Und in Bezug auf die Aussage?

Tim Landscheidt
2022-05-15 16:49:01 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
[…]
Post by Stefan Schmitz
Hätte es trotzdem Einfluss auf das Vorgehen der Polizei, wenn er
mitteilte, dass es ihm nicht um Strafe, sondern um Wiedergutmachung geht?
Möglicherweise. Das ist jedenfalls ein gutes Argument für eine Verweisung
auf den Privatklageweg, wo das möglich ist, oder eine Einstellung nach §
153 StPO wegen fehlenden Strafverfolgungsinteresses ...
[…]
Apropos: Bei der Privatklage heißt es in den Weiten des In-
terNets regelmäßig nebulös, dass der Privatkläger an die
Stelle des Staatsanwaltes tritt.

Die Justiz NRW
(https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/ordentliche_gerichte/Strafgericht/BesondereVerfahrensarten/privatklage/)
wird da konkreter und fordert insbesondere von dem Privat-
kläger, die Identität des Täters bei Einreichung der Ankla-
geschrift eindeutig zu benennen.

Wie geht da der beispielsweise durch eine Beleidigung bei
einer anonymen Zufallsbegegnung nach eigener Ansicht lebens-
lang schwer traumatisierte Verletzte vor, wenn für die Fest-
stellung des Täters das volle Arsenal der StPO hinsichtlich
Videoüberwachung, Öffentlichkeitsfahndung, Beschlagnahme Da-
tenträger, etc. notwendig wäre, die Staatsanwaltschaft aber
ein öffentliches Interesse nicht gesehen hat?

Tim
Stefan Schmitz
2022-05-15 17:21:25 UTC
Permalink
Post by Tim Landscheidt
Apropos: Bei der Privatklage heißt es in den Weiten des In-
terNets regelmäßig nebulös, dass der Privatkläger an die
Stelle des Staatsanwaltes tritt.
Die Justiz NRW
(https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/ordentliche_gerichte/Strafgericht/BesondereVerfahrensarten/privatklage/)
wird da konkreter und fordert insbesondere von dem Privat-
kläger, die Identität des Täters bei Einreichung der Ankla-
geschrift eindeutig zu benennen.
Wie geht da der beispielsweise durch eine Beleidigung bei
einer anonymen Zufallsbegegnung nach eigener Ansicht lebens-
lang schwer traumatisierte Verletzte vor, wenn für die Fest-
stellung des Täters das volle Arsenal der StPO hinsichtlich
Videoüberwachung, Öffentlichkeitsfahndung, Beschlagnahme Da-
tenträger, etc. notwendig wäre, die Staatsanwaltschaft aber
ein öffentliches Interesse nicht gesehen hat?
Bei der Konstellation wird niemand den Unbekannten mit Privatklage
überziehen wollen.

Interessanter wäre eine Beleidigung durch den Mitarbeiter eines
Unternehmens, das dessen Personalien nicht verraten will. Muss der
Beleidigte dann Detektiv spielen, oder werden wenigstens die vor Verweis
auf Privatklage von der Polizei ermittelt?
Thomas Hochstein
2022-05-15 17:35:45 UTC
Permalink
Post by Tim Landscheidt
Apropos: Bei der Privatklage heißt es in den Weiten des In-
terNets regelmäßig nebulös, dass der Privatkläger an die
Stelle des Staatsanwaltes tritt.
Nebulös eigentlich gar nicht; der Privatkläger nimmt die Aufgabe der
Staatsanwaltschaft war, hat also eine formgerechte Anklageschrift
einzureichen, um den Beschuldigten in der Hauptverhandlung zu überführen.
Post by Tim Landscheidt
Die Justiz NRW
(https://www.justiz.nrw.de/Gerichte_Behoerden/ordentliche_gerichte/Strafgericht/BesondereVerfahrensarten/privatklage/)
wird da konkreter und fordert insbesondere von dem Privat-
kläger, die Identität des Täters bei Einreichung der Ankla-
geschrift eindeutig zu benennen.
Natürlich; das ist unabdingbarer Inhalt der Anklageschrift (vgl. § 200
Abs. 1 StPO).
Post by Tim Landscheidt
Wie geht da der beispielsweise durch eine Beleidigung bei
einer anonymen Zufallsbegegnung nach eigener Ansicht lebens-
lang schwer traumatisierte Verletzte vor, wenn für die Fest-
stellung des Täters das volle Arsenal der StPO hinsichtlich
Videoüberwachung, Öffentlichkeitsfahndung, Beschlagnahme Da-
tenträger, etc. notwendig wäre, die Staatsanwaltschaft aber
ein öffentliches Interesse nicht gesehen hat?
Dann hat er es ein wenig schwer mit der Beweisführung, vorher aber auch
sicherlich Schwierigkeiten mit der notwendigen Durchführung eines
Sühneversuchs (§ 380 StPO), denn auch dazu muss er den Beschuldigten
kennen.

Die RiStBV sehen daher vor, dass die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen
vor der Verweisung auf den Privatklageweg die notwendigen Ermittlungen
anstellen "soll", wenn es sich nicht um eine unbedeutende Verfehlung
handelt (Nr. 87 Abs. 2 RiStBV).

-thh
Tim Landscheidt
2022-05-15 18:40:33 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
[…]
Post by Tim Landscheidt
Wie geht da der beispielsweise durch eine Beleidigung bei
einer anonymen Zufallsbegegnung nach eigener Ansicht lebens-
lang schwer traumatisierte Verletzte vor, wenn für die Fest-
stellung des Täters das volle Arsenal der StPO hinsichtlich
Videoüberwachung, Öffentlichkeitsfahndung, Beschlagnahme Da-
tenträger, etc. notwendig wäre, die Staatsanwaltschaft aber
ein öffentliches Interesse nicht gesehen hat?
Dann hat er es ein wenig schwer mit der Beweisführung, vorher aber auch
sicherlich Schwierigkeiten mit der notwendigen Durchführung eines
Sühneversuchs (§ 380 StPO), denn auch dazu muss er den Beschuldigten
kennen.
Die RiStBV sehen daher vor, dass die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen
vor der Verweisung auf den Privatklageweg die notwendigen Ermittlungen
anstellen "soll", wenn es sich nicht um eine unbedeutende Verfehlung
handelt (Nr. 87 Abs. 2 RiStBV).
Ah, danke. Die Qualifizierung als „unbedeutende Verfehlung“
dürfte da manchen Verletzten mehr schmerzen als die ur-
sprüngliche Straftat.

Tim
Stefan Schmitz
2022-05-15 20:16:29 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Dann hat er es ein wenig schwer mit der Beweisführung, vorher aber auch
sicherlich Schwierigkeiten mit der notwendigen Durchführung eines
Sühneversuchs (§ 380 StPO), denn auch dazu muss er den Beschuldigten
kennen.
Die RiStBV sehen daher vor, dass die Staatsanwaltschaft in diesen Fällen
vor der Verweisung auf den Privatklageweg die notwendigen Ermittlungen
anstellen "soll", wenn es sich nicht um eine unbedeutende Verfehlung
handelt (Nr. 87 Abs. 2 RiStBV).
Was qualifiziert ein Privatklagedelikt (also eins, was der Gesetzgeber
für unwichtig hält) als "unbedeutende Verfehlung"?
Thomas Hochstein
2022-05-17 20:34:17 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Was qualifiziert ein Privatklagedelikt (also eins, was der Gesetzgeber
für unwichtig hält) als "unbedeutende Verfehlung"?
Dass es unbedeutender ist als eines, bei dem es nur am öffentlichen
Interesse an der Strafverfolgung fehlt, welches wiederum weniger bedeutend
ist als eines, bei dem ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung
besteht, welches wiederum weniger bedeutend ist als eines, bei dem ein
besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht, soweit
das in Betracht kommt.
Ulf Kutzner
2022-05-17 18:23:39 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
§ 153a StPO ermöglicht den Täter-Opfer-Ausgleich als Weisung bei
vorläufigem Absehen von der Strafverfolgung, auch nur mit Zustimmung des
Gerichts.
... wenn es sich um eine Tat handelt, die mit einer erhöhten Mindeststrafe
bedroht ist oder wenn die durch die Tat verursachten Folgen nicht mehr
gering sind.
Post by Stefan Schmitz
Gibt es es im Rahmen der Ermittlungen keine Möglichkeit, das Verfahren
ohne Beteiligung des Gerichts komplett einzustellen, weil es zum
Täter-Opfer-Ausgleich gekommen ist?
Doch, nach § 135a StPO, wenn das Gesetz - wie regelmäßig - keine erhöhte
Mindeststrafdrohung ("... wird mit Freiheitsstrafe von 3/6 Monaten bis ...
oder Geldstrafe ...") vorsieht und die Folgen der Tat gering sind.
Post by Stefan Schmitz
So mancher Verletzte einer Straftat zeigt diese nur deswegen an, damit
der Täter sein Unrecht einsieht und wieder gutmacht.
Eine leicht skurrile Vorgehensweise,
Es ist für Euch mit Arbeit verbunden, aber der BGH kennt (im Gegensatz zu Dir?)
die Genugtuungsfunktion des Strafverfahrens.
Post by Thomas Hochstein
nachdem das Strafverfahren in erster
Linie auf Strafe hinausläuft und der Verletzte keinen Einfluss darauf hat,
ob es zu einer Strafe, einer Wiedergutmachung, einer Einstellung ohne
Auflagen, einer Verweisung auf den Privatklageweg usw. kommt.
Na ja, der Verletzte kann bei gemeinschaftlicher Körperverletzung
gegen diese Verweisung vorgehen...
Post by Thomas Hochstein
Wer möchte, dass der Täter sein Unrecht einsieht und es wieder gutmacht,
würde sinnvollerweise mit dem Täter Kontakt aufnehmen, ihn damit
konfrontieren und zur Wiedergutmachung auffordern. Aber das ist vielleicht
zu einfach gedacht.
Post by Stefan Schmitz
Da wäre es praktisch, ihm die Möglichkeit zu geben, bei Erreichen dieses
Ziels die Ermittlungen beenden zu lassen.
Das Strafverfahren unterliegt nicht der Kontrolle des Verletzten.
Etwas weniger apodiktisch wird die Sache bei der Neben- und erst recht bei der Privatklage.
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Damit würden auch Verhandlungen zwischen Täter und Opfer erleichtert,
weil Täter eine Anzeige oft als Eskalation des Konflikts betrachten.
(Oder die "Rücknahme" der Anzeige als Bedingung für weitere Gespräche
verlangen.)
Auch das spricht dafür, statt eine Anzeige zu verhandeln, oder nicht?
Nicht zwingend. In der Phase zeigt sich der Täter uneinsichtig,
und ein ggf. auch noch zurückgenommener Strafantrag...
Thomas Hochstein
2022-05-17 20:34:17 UTC
Permalink
Post by Ulf Kutzner
Etwas weniger apodiktisch wird die Sache bei der Neben- und erst recht bei der Privatklage.
Das spricht ja sehr dafür, unmittelbar den Privatklageweg zu beschreiten.
Da hat man auch viel mehr davon.
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