Discussion:
Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren
(zu alt für eine Antwort)
Stefan Schmitz
2023-01-11 08:52:59 UTC
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Gestern ging durch die Nachrichten, dass Justiz- und
Landwirtschaftsminister das Containern staffrei machen wollen.

Allerdings wollen sie dafür nicht das StGB ändern, sondern - angeblich
der Einfachheit halber - die Länder dazu bewegen, die Richtlinien
anzupassen.

Inwiefern ist dieser Weg wirklich einfacher? Wie kommen diese
Richtlinien zustande? Bei Mehrheitsbeschluss der Justizminister könnte
es tatsächlich relativ einfach sein, auch wenn ein solcher Vorstoß
Hamburgs schon mal gescheitert ist. Wenn aber alle Länder zustimmen
müssen, ist das mindestens wegen eines Freistaats völlig aussichtslos.
Thomas Hochstein
2023-01-11 09:35:04 UTC
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Post by Stefan Schmitz
Gestern ging durch die Nachrichten, dass Justiz- und
Landwirtschaftsminister das Containern staffrei machen wollen.
Das könnten sie dann ja tun.
Post by Stefan Schmitz
Allerdings wollen sie dafür nicht das StGB ändern, sondern - angeblich
der Einfachheit halber - die Länder dazu bewegen, die Richtlinien
anzupassen.
Auch das können sie tun. Allerdings wird sich dadurch am Ergebnis wenig
ändern. Bei Ersttätern und geringwertigen Sachen drängt sich ein Vorgehen
nach § 153 StPO sowieso auf, jedenfalls dann, wenn es sich um keinen
besonders schweren Fall des Diebstahls handelt, mit dem ggf. eine
Sachbeschädigung verbunden ist:
| Hört man sich in den Ländern um, so heißt es, dass bereits jetzt
| Strafverfahren häufig nach den 153 ff. Strafprozessordnung (StPO)
| eingestellt werden. Jedenfalls, soweit mit dem "Containern" nicht auch
| andere Delikte wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung verbunden
| sind.
<https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/containern-muell-abfall-mindesthaltbarkeit-diebstahl-einstellung-strafverfahren-ristbv/>

und bei Wiederholungstätern, anderen Begleitumständen oder auch Tätern,
die unter Bewährung stehen, bleibt eine andere Ermessensentscheidung
möglich, denn die erwogene Fassung der RiStBV soll vorsehen, dass
entsprechende Verfahren "regelmäßig (!!) nach § 153 StPO einzustellen"
sind.

Daneben enthält die Einführung zu den Richtlinien (!) einen wichtigen
Absatz:
| Die Richtlinien können wegen der Mannigfaltigkeit des Lebens nur
| Anleitung für den Regelfall geben. Der Staatsanwalt hat daher in jeder
| Strafsache selbständig und verantwortungsbewusst zu prüfen, welche
| Maßnahmen geboten sind. Er kann wegen der Besonderheit des Einzelfalles
| von den Richtlinien abweichen.
Post by Stefan Schmitz
Inwiefern ist dieser Weg wirklich einfacher? Wie kommen diese
Richtlinien zustande? Bei Mehrheitsbeschluss der Justizminister könnte
es tatsächlich relativ einfach sein, auch wenn ein solcher Vorstoß
Hamburgs schon mal gescheitert ist. Wenn aber alle Länder zustimmen
müssen, ist das mindestens wegen eines Freistaats völlig aussichtslos.
Üblicherweise einigt man sich auf eine gemeinsame Fassung, die dann in
allen Bundesländern jeweils durch die Justizministerien als
Verwaltungsvorschrift erlassen wird. Das ist höchst wünschenswert, aber
keineswegs verpflichtend; jedes Justizministerium kann theoretisch eigene,
abweichende Regelungen erlassen. Das wird freilich um jeden Preis zu
vermeiden gesucht. Es hat seinen Grund, dass die regelmäßige
Verfahrenseinstellung nach § 31a BtMG beim Besitz von Kleinmengen von
Cannabis nicht in den RiStBV geregelt ist, sondern durch andere
Verwaltungsvorschriften in jedem Bundesland, die nicht unerheblich
abweichen.

-thh
--
Liste juristischer Online-Ressourcen: <https://th-h.de/law/lawlinks/>
Gesetzestexte, Rechtsprechung und Fundstellen: <http://dejure.org/>
Gesetze und Verordnungen (deutsches Bundesrecht): <http://buzer.de/>
Freie Rechtsprechungs-Dokumentation (Urteile): <http://openjur.de/>
Stefan Schmitz
2023-01-11 10:52:26 UTC
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Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Gestern ging durch die Nachrichten, dass Justiz- und
Landwirtschaftsminister das Containern staffrei machen wollen.
Das könnten sie dann ja tun.
Post by Stefan Schmitz
Allerdings wollen sie dafür nicht das StGB ändern, sondern - angeblich
der Einfachheit halber - die Länder dazu bewegen, die Richtlinien
anzupassen.
Auch das können sie tun. Allerdings wird sich dadurch am Ergebnis wenig
ändern. Bei Ersttätern und geringwertigen Sachen drängt sich ein Vorgehen
nach § 153 StPO sowieso auf, jedenfalls dann, wenn es sich um keinen
besonders schweren Fall des Diebstahls handelt, mit dem ggf. eine
| Hört man sich in den Ländern um, so heißt es, dass bereits jetzt
| Strafverfahren häufig nach den 153 ff. Strafprozessordnung (StPO)
| eingestellt werden. Jedenfalls, soweit mit dem "Containern" nicht auch
| andere Delikte wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung verbunden
| sind.
<https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/containern-muell-abfall-mindesthaltbarkeit-diebstahl-einstellung-strafverfahren-ristbv/>
Wenn "häufig" eingestellt wird, heißt das, dass gelegentlich (wohl je
nach Einstellung des zuständigen Staatsanwalts) auch in nicht besonders
schweren Fällen bestraft wird. Und genau das soll ja verhindert werden.
Post by Thomas Hochstein
und bei Wiederholungstätern, anderen Begleitumständen oder auch Tätern,
die unter Bewährung stehen, bleibt eine andere Ermessensentscheidung
möglich, denn die erwogene Fassung der RiStBV soll vorsehen, dass
entsprechende Verfahren "regelmäßig (!!) nach § 153 StPO einzustellen"
sind.
Man müsste also anders als bislang besonders begründen, warum
ausnahmsweise nicht eingestellt wird.


Im verlinkten Artikel finde ich
"Nach aktuell gültiger Rechtslage haften Lebensmittelhändler unter
Umständen, wenn jemand Essen aus ihrem Müllcontainer entwendet und dabei
erkrankt."

Was ist Rechtsgrundlage für eine Haftung gegenüber Dieben?
Thomas Hochstein
2023-01-11 11:57:12 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
| Hört man sich in den Ländern um, so heißt es, dass bereits jetzt
| Strafverfahren häufig nach den 153 ff. Strafprozessordnung (StPO)
| eingestellt werden. Jedenfalls, soweit mit dem "Containern" nicht auch
| andere Delikte wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung verbunden
| sind.
<https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/containern-muell-abfall-mindesthaltbarkeit-diebstahl-einstellung-strafverfahren-ristbv/>
Wenn "häufig" eingestellt wird, heißt das, dass gelegentlich (wohl je
nach Einstellung des zuständigen Staatsanwalts) auch in nicht besonders
schweren Fällen bestraft wird. Und genau das soll ja verhindert werden.
Na dann viel Erfolg. Schon die Annahme, dass die Änderung der RiStBV in
der Praxis auch nur wahrgenommen wird, erscheint mir leicht optimistisch.
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
und bei Wiederholungstätern, anderen Begleitumständen oder auch Tätern,
die unter Bewährung stehen, bleibt eine andere Ermessensentscheidung
möglich, denn die erwogene Fassung der RiStBV soll vorsehen, dass
entsprechende Verfahren "regelmäßig (!!) nach § 153 StPO einzustellen"
sind.
Man müsste also anders als bislang besonders begründen, warum
ausnahmsweise nicht eingestellt wird.
Nein, begründen muss man da gar nichts.
Post by Stefan Schmitz
Im verlinkten Artikel finde ich
"Nach aktuell gültiger Rechtslage haften Lebensmittelhändler unter
Umständen, wenn jemand Essen aus ihrem Müllcontainer entwendet und dabei
erkrankt."
Was ist Rechtsgrundlage für eine Haftung gegenüber Dieben?
Vermutlich hat es mit dem Datenschutz zu tun. [1]

-thh

[1] Das ist die richtige Antwort auf die meisten Sachverhalte, die eher
skurril wirken.
Stefan Schmitz
2023-01-11 12:54:27 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
| Hört man sich in den Ländern um, so heißt es, dass bereits jetzt
| Strafverfahren häufig nach den 153 ff. Strafprozessordnung (StPO)
| eingestellt werden. Jedenfalls, soweit mit dem "Containern" nicht auch
| andere Delikte wie Hausfriedensbruch oder Sachbeschädigung verbunden
| sind.
<https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/containern-muell-abfall-mindesthaltbarkeit-diebstahl-einstellung-strafverfahren-ristbv/>
Wenn "häufig" eingestellt wird, heißt das, dass gelegentlich (wohl je
nach Einstellung des zuständigen Staatsanwalts) auch in nicht besonders
schweren Fällen bestraft wird. Und genau das soll ja verhindert werden.
Na dann viel Erfolg. Schon die Annahme, dass die Änderung der RiStBV in
der Praxis auch nur wahrgenommen wird, erscheint mir leicht optimistisch.
Wofür sind die denn überhaupt da, wenn sich die damit Angesprochenen gar
nicht um den aktuellen Inhalt kümmern?
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
und bei Wiederholungstätern, anderen Begleitumständen oder auch Tätern,
die unter Bewährung stehen, bleibt eine andere Ermessensentscheidung
möglich, denn die erwogene Fassung der RiStBV soll vorsehen, dass
entsprechende Verfahren "regelmäßig (!!) nach § 153 StPO einzustellen"
sind.
Man müsste also anders als bislang besonders begründen, warum
ausnahmsweise nicht eingestellt wird.
Nein, begründen muss man da gar nichts.
Was soll dann so eine Vorgabe?
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Im verlinkten Artikel finde ich
"Nach aktuell gültiger Rechtslage haften Lebensmittelhändler unter
Umständen, wenn jemand Essen aus ihrem Müllcontainer entwendet und dabei
erkrankt."
Was ist Rechtsgrundlage für eine Haftung gegenüber Dieben?
Vermutlich hat es mit dem Datenschutz zu tun. [1]
-thh
[1] Das ist die richtige Antwort auf die meisten Sachverhalte, die eher
skurril wirken.
Bei LTO würde ich allerdings keine skurrilen Darstellungen der
Rechtslage erwarten. Bei normalen Medien hätte ich den Satz nicht
ernstgenommen.
Thomas Hochstein
2023-03-05 14:18:10 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Na dann viel Erfolg. Schon die Annahme, dass die Änderung der RiStBV in
der Praxis auch nur wahrgenommen wird, erscheint mir leicht optimistisch.
Wofür sind die denn überhaupt da, wenn sich die damit Angesprochenen gar
nicht um den aktuellen Inhalt kümmern?
Das ist - in jeder Hinsicht - eine Frage der Theorie und der Praxis.

Theoretisch ist Aufgabe des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche
Verhaltensweisen mit Kriminalstrafe bedroht werden sollen und welche
Verhaltensweisen ggf. von einer solchen Strafdrohung ausgenommen werden
sollen.

Praktisch kann man die Exekutive dieses Recht des Parlaments unterlaufen,
indem sie den Strafverfolgungsbehörden Richtlinien vorgibt, strafbare
Handlungen einer bestimmten Art im Regelfall nicht zu verfolgen. Das ist
höchst bedenklich, wenn nicht eine Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben
oder eine Regelung des Verfahrens erfolgen soll, sondern - wie hier -
bestimmtes strafbares Verhalten - letztlich contra legem - von der
Strafverfolgung ausgenommen werden soll.

In der Theorie wird eine solche Änderung zeitnah bekannt und wird so, wie
sich der Richtliniengeber das vorstellt, umgesetzt.

In der Praxis ist einerseits die Arbeitsverdichtung und Überlastung gerade
bei den unterbesetzten Strafverfolgungsbehörden (und auch bei den
Gerichten) schon lange, lange dergestalt, dass selbst Gesetzesänderungen
nicht immer zeitnah in der Praxis ankommen, geschweige denn Änderungen der
RiStBV, deren Einzelregelungen oft ohnehin nicht besonders präsent sind.
Zum anderen lassen Richtlinie - notwendigerweise - erheblichen Spielraum.
Post by Stefan Schmitz
Was soll dann so eine Vorgabe?
Das musst Du diejenigen fragen, die es "einfacher" finden, über
Verwaltungsschriften faktisch zu regeln, was strafbar sein soll oder
nicht.
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Im verlinkten Artikel finde ich
"Nach aktuell gültiger Rechtslage haften Lebensmittelhändler unter
Umständen, wenn jemand Essen aus ihrem Müllcontainer entwendet und dabei
erkrankt."
Was ist Rechtsgrundlage für eine Haftung gegenüber Dieben?
Vermutlich hat es mit dem Datenschutz zu tun. [1]
[...]
Post by Stefan Schmitz
Bei LTO würde ich allerdings keine skurrilen Darstellungen der
Rechtslage erwarten. Bei normalen Medien hätte ich den Satz nicht
ernstgenommen.
Möglicherweise findest Du ja die Grundlage dieser "Rechtslage". Ich fänd's
auch interessant.

-thh
--
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Gesetze und Verordnungen (deutsches Bundesrecht): <http://buzer.de/>
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Stefan Schmitz
2023-03-05 15:11:17 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
In der Praxis ist einerseits die Arbeitsverdichtung und Überlastung gerade
bei den unterbesetzten Strafverfolgungsbehörden (und auch bei den
Gerichten) schon lange, lange dergestalt, dass selbst Gesetzesänderungen
nicht immer zeitnah in der Praxis ankommen, geschweige denn Änderungen der
RiStBV, deren Einzelregelungen oft ohnehin nicht besonders präsent sind.
Zum anderen lassen Richtlinie - notwendigerweise - erheblichen Spielraum.
Angesichts solcher Arbeitsüberlastung ist es doch höchst seltsam, wenn
die wertvolle Arbeitszeit für Vergehen verschwendet wird, die die
Exekutive regelhaft unbestraft lassen will.

Das riecht doch sehr nach einer persönlichen Agenda einzelner
Strafverfolger.
Ulf Kutzner
2023-03-06 11:16:45 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
In der Praxis ist einerseits die Arbeitsverdichtung und Überlastung gerade
bei den unterbesetzten Strafverfolgungsbehörden (und auch bei den
Gerichten) schon lange, lange dergestalt, dass selbst Gesetzesänderungen
nicht immer zeitnah in der Praxis ankommen, geschweige denn Änderungen der
RiStBV, deren Einzelregelungen oft ohnehin nicht besonders präsent sind.
Zum anderen lassen Richtlinie - notwendigerweise - erheblichen Spielraum.
Angesichts solcher Arbeitsüberlastung ist es doch höchst seltsam, wenn
die wertvolle Arbeitszeit für Vergehen verschwendet wird, die die
Exekutive regelhaft unbestraft lassen will.
Die Exekutive ist recht vielfältig; die genannten Richtlinien
hindern insbesondere nicht die Polizei, dem Staatsanwalt
eine Ermittlungssache vorzulegen. Auch Einstellung nach
Prüfung ist Arbeit.
Ulf Kutzner
2023-03-06 11:13:06 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Post by Thomas Hochstein
Na dann viel Erfolg. Schon die Annahme, dass die Änderung der RiStBV in
der Praxis auch nur wahrgenommen wird, erscheint mir leicht optimistisch.
Wofür sind die denn überhaupt da, wenn sich die damit Angesprochenen gar
nicht um den aktuellen Inhalt kümmern?
Das ist - in jeder Hinsicht - eine Frage der Theorie und der Praxis.
Theoretisch ist Aufgabe des Gesetzgebers, zu entscheiden, welche
Verhaltensweisen mit Kriminalstrafe bedroht werden sollen und welche
Verhaltensweisen ggf. von einer solchen Strafdrohung ausgenommen werden
sollen.
Praktisch kann man die Exekutive dieses Recht des Parlaments unterlaufen,
Dir sei ein Deutschkurs empfohlen.
Post by Thomas Hochstein
indem sie den Strafverfolgungsbehörden Richtlinien vorgibt, strafbare
Handlungen einer bestimmten Art im Regelfall nicht zu verfolgen. Das ist
höchst bedenklich, wenn nicht eine Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben
oder eine Regelung des Verfahrens erfolgen soll, sondern - wie hier -
bestimmtes strafbares Verhalten - letztlich contra legem - von der
Strafverfolgung ausgenommen werden soll.
Das Legalitätsprinzip ist auch durchbrochen, wenn
in anderen vom Strafgesetz umfaßten Fällen wegen
Geringfügigkeit/mangelnden öffentlichen Interesses
eingestellt wird.
Post by Thomas Hochstein
In der Theorie wird eine solche Änderung zeitnah bekannt und wird so, wie
sich der Richtliniengeber das vorstellt, umgesetzt.
In der Praxis ist einerseits die Arbeitsverdichtung und Überlastung gerade
bei den unterbesetzten Strafverfolgungsbehörden (und auch bei den
Gerichten) schon lange, lange dergestalt, dass selbst Gesetzesänderungen
nicht immer zeitnah in der Praxis ankommen,
Das scheint insbesondere den gehobenen Dienst zu betreffen,
wo der Lehrgangsstand in der Ausbildung nicht selten einzementiert
scheint.

Ein Vater, der anerkennen wollte, wurde beim AG auch
eine zweistellige Zahl von Jahren nach Aufhebung
von § 1719 BGB in Richtung Legitimation durch
nachfolgende Ehe beraten.
Post by Thomas Hochstein
geschweige denn Änderungen der
RiStBV,
Das nennt man dann Digitalisierung der Justizverwaltung.

Gut, hier
https://de.wikipedia.org/wiki/Amtsgericht_Landsberg_a.W.
fand in der Zwischenkriegszeit eine Visitation statt, wo
die Richter auch befragt wurden, warum sie die Vorschriften
direkt dem Reichsgesetzblatt entnähmen.

Die neueren Gesetze seien dort nicht in Buchform eingelangt.
Der Visiteur erbleichte und veranlaßte unverzüglich Abhilfe.
Post by Thomas Hochstein
deren Einzelregelungen oft ohnehin nicht besonders präsent sind.
Zum anderen lassen Richtlinie - notwendigerweise - erheblichen Spielraum.
Ich komme nicht umhin, erneut festzustellen, daß Du
bei der Schreibung Spielräume überziehst.
Stefan Schmitz
2023-03-06 11:55:07 UTC
Permalink
Post by Ulf Kutzner
Post by Thomas Hochstein
Praktisch kann man die Exekutive dieses Recht des Parlaments unterlaufen,
indem sie den Strafverfolgungsbehörden Richtlinien vorgibt, strafbare
Handlungen einer bestimmten Art im Regelfall nicht zu verfolgen. Das ist
höchst bedenklich, wenn nicht eine Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben
oder eine Regelung des Verfahrens erfolgen soll, sondern - wie hier -
bestimmtes strafbares Verhalten - letztlich contra legem - von der
Strafverfolgung ausgenommen werden soll.
Das Legalitätsprinzip ist auch durchbrochen, wenn
in anderen vom Strafgesetz umfaßten Fällen wegen
Geringfügigkeit/mangelnden öffentlichen Interesses
eingestellt wird.
Kommt Einstellung aus diesen Gründen vor, ohne dass das Gesetz sie erlaubt?
Post by Ulf Kutzner
Post by Thomas Hochstein
In der Praxis ist einerseits die Arbeitsverdichtung und Überlastung gerade
bei den unterbesetzten Strafverfolgungsbehörden (und auch bei den
Gerichten) schon lange, lange dergestalt, dass selbst Gesetzesänderungen
nicht immer zeitnah in der Praxis ankommen,
Das scheint insbesondere den gehobenen Dienst zu betreffen,
wo der Lehrgangsstand in der Ausbildung nicht selten einzementiert
scheint.
Ein Vater, der anerkennen wollte, wurde beim AG auch
eine zweistellige Zahl von Jahren nach Aufhebung
von § 1719 BGB in Richtung Legitimation durch
nachfolgende Ehe beraten.
Inwiefern hat ein Amtsgericht diesbezüglich zu beraten?
Wenn der Mann unzuständigerweise die Meinung eines Gerichtsmitarbeiters
eingeholt hat, muss er damit leben, dass der in Sachen außerhalb seiner
Kompentenz nicht unbedingt up to date ist.
Ulf Kutzner
2023-03-06 12:43:52 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Post by Ulf Kutzner
Post by Thomas Hochstein
Praktisch kann man die Exekutive dieses Recht des Parlaments unterlaufen,
indem sie den Strafverfolgungsbehörden Richtlinien vorgibt, strafbare
Handlungen einer bestimmten Art im Regelfall nicht zu verfolgen. Das ist
höchst bedenklich, wenn nicht eine Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben
oder eine Regelung des Verfahrens erfolgen soll, sondern - wie hier -
bestimmtes strafbares Verhalten - letztlich contra legem - von der
Strafverfolgung ausgenommen werden soll.
Das Legalitätsprinzip ist auch durchbrochen, wenn
in anderen vom Strafgesetz umfaßten Fällen wegen
Geringfügigkeit/mangelnden öffentlichen Interesses
eingestellt wird.
Kommt Einstellung aus diesen Gründen vor, ohne dass das Gesetz sie erlaubt?
Ggf. wird unter Dehnung des Gesetzeswortlauts...


Aber ich bin schon ruhig.

Im Vorschlag heißt es ja:

"kommt regelmäßig eine Einstellung nach § 153 StPO in Betracht"

https://www.bmj.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2023/0110_Containern.html

Und wenn § 153, und sei es mit zulässiger Ermessensanlenkung,
rechtmäßig angewendet wird, scheint mir der Rechtstaat dadurch
nicht, schon gar nicht ernstlich, bedroht zu sein.
Post by Stefan Schmitz
Post by Ulf Kutzner
Post by Thomas Hochstein
In der Praxis ist einerseits die Arbeitsverdichtung und Überlastung gerade
bei den unterbesetzten Strafverfolgungsbehörden (und auch bei den
Gerichten) schon lange, lange dergestalt, dass selbst Gesetzesänderungen
nicht immer zeitnah in der Praxis ankommen,
Das scheint insbesondere den gehobenen Dienst zu betreffen,
wo der Lehrgangsstand in der Ausbildung nicht selten einzementiert
scheint.
Ein Vater, der anerkennen wollte, wurde beim AG auch
eine zweistellige Zahl von Jahren nach Aufhebung
von § 1719 BGB in Richtung Legitimation durch
nachfolgende Ehe beraten.
Inwiefern hat ein Amtsgericht diesbezüglich zu beraten?
Da gibt es nun einen Bereich, in dem Beratung im engeren Sinne
eher nicht vorgesehen ist, aber im weiteren Sinne nicht immer
völlig fernliegt.

Jetzt mal ohne daß genau dieses AG gemeint gewesen sein muß:

https://ag-md.sachsen-anhalt.de/service/ehe-und-familienrecht
Womöglich ist schon diese Internetpräsenz Beratung...
Post by Stefan Schmitz
Wenn der Mann unzuständigerweise
Unglücklich formuliert.
Post by Stefan Schmitz
die Meinung eines Gerichtsmitarbeiters
- "So etwas machen wir grundsätzlich nicht."
- "Hm, habe ich anders gehört."
- "Brauchen Sie übrigens auch nicht, da ist doch Legitimierung über
nachfolgende Ehe das Mittel der Wahl."
Post by Stefan Schmitz
eingeholt hat, muss er damit leben, dass der in Sachen außerhalb seiner
Kompentenz nicht unbedingt up to date ist.
Eigentlich hätte er ja die Vaterschaftsanerkennung
aufnehmen bzw. veranlassen sollen, daß dies in diesem
dafür übrigens zuständigen Amtsgericht beim zuständigen
Beurkunder geschieht.

Ein "Wir schicken die Leute immer zum Standesamt" ist
in solchen Fällen eher Rechtspraxis als rechtmäßig.

Und das bei Gericht.
Jens Müller
2023-03-06 20:07:00 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Praktisch kann man die Exekutive dieses Recht des Parlaments unterlaufen,
indem sie den Strafverfolgungsbehörden Richtlinien vorgibt, strafbare
Handlungen einer bestimmten Art im Regelfall nicht zu verfolgen. Das ist
höchst bedenklich, wenn nicht eine Konkretisierung gesetzlicher Vorgaben
oder eine Regelung des Verfahrens erfolgen soll, sondern - wie hier -
bestimmtes strafbares Verhalten - letztlich contra legem - von der
Strafverfolgung ausgenommen werden soll.
Und noch viel bedenklicher ist selektive Durchsetzung, zum Beispiel nur
gegen regimekritische Personen.

Dietz Proepper
2023-01-11 13:58:32 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Im verlinkten Artikel finde ich
"Nach aktuell gültiger Rechtslage haften Lebensmittelhändler unter
Umständen, wenn jemand Essen aus ihrem Müllcontainer entwendet und
dabei erkrankt."
Was ist Rechtsgrundlage für eine Haftung gegenüber Dieben?
Vermutlich hat es mit dem Datenschutz zu tun. [1]
Das Problem ist wohl das in-den-Verkehr-bringen. Bei abgelaufenem MHD
haftet halt der Händler und auch Verschenken ist obiges.

Im Fall eines Diebstahls hat es vermutlich mit dem Schutz der Daten des
Informationslieferanten zu tun ...
Post by Thomas Hochstein
[1] Das ist die richtige Antwort auf die meisten Sachverhalte, die
eher skurril wirken.
Mooooment. Du meinst den vorgeschobenen DS.
Thomas Hochstein
2023-03-05 14:18:10 UTC
Permalink
Post by Dietz Proepper
Post by Thomas Hochstein
Post by Stefan Schmitz
Im verlinkten Artikel finde ich
"Nach aktuell gültiger Rechtslage haften Lebensmittelhändler unter
Umständen, wenn jemand Essen aus ihrem Müllcontainer entwendet und
dabei erkrankt."
[...]
Post by Dietz Proepper
Das Problem ist wohl das in-den-Verkehr-bringen. Bei abgelaufenem MHD
haftet halt der Händler und auch Verschenken ist obiges.
Mag sein, aber wer Essen in den Müll wirft (!), verschenkt es damit doch
nicht?

[Datenschutz]
Post by Dietz Proepper
Post by Thomas Hochstein
[1] Das ist die richtige Antwort auf die meisten Sachverhalte, die
eher skurril wirken.
Mooooment. Du meinst den vorgeschobenen DS.
Das gibt und nimmt sich nichts.

-thh
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