Post by Stefan SchmitzWenn sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden entwickelt, unter
welchen Voraussetzungen ist dieses Tatbestandsmerkmal erfüllt? Und falls
eine solche es ausschließt, wie weit davor ist dann die Grenze?
Entscheidend ist, ob der Täter die Vertrauensposition als Behandler zum
Opfer missbräuchlich ausnutzt. Klar liegt der Fall regelmäßig, wenn die
sexuellen Handlungen als Teil der Therapie ausgegeben werden, wenn eine
behandlungsspezifische Nacktheit ausgenutzt wird oder wenn für den Fall
einer Weigerung Nachteile in Bezug auf die Behandlung im Raum stehen.
Schwieriger ist es, wenn sich eine Beziehung entwickelt oder die sexuellen
Handlungen vom Patienten ausgehen. Dabei kommt es dann auch auf Art und
Enge der therapeutischen Beziehung an. Grundsätzlich genügt ein
Einverständnis des Patienten allein nicht.
Teilweise wird vertreten, dass bei psychiatrischer, psychologischer oder
psychotherapeutischer Behandlung aufgrund des besonderen therapeutischen
Vertrauensverhältnisses und der für dieses Verhältnis kennzeichnenden
Abhängigkeit des Patienten vom Therapueten jeder Sexualkontakt
missbräuchlich sei (so bspw. Renzikowski in MüKo-StGB, 4. Auflage 2021, §
174c StGB Rn. 29). Die Rechtsprechung sieht das nicht so zwingend,
insbesondere wenn der Patient, der bereits anderweitig in Behandlung
steht, gezielt eine Beziehung zum Therapeuten aufbaut, zu dem er aufgrund
von Stellung und Persönlichkeit auf Augenhöhe steht, um sich so Vorteile
(bspw. die so nicht indizierte Verschreibung von Arzneimitteln) zu
verschaffen, ohne dass die Sexualkontakte auf wesentliche
krankheitsbedingte Willensmängel zurückzuführen sind (vgl. BGH, Beschluss
vom 29.6.2016 – 1 StR 24/16 für einen psych. Sachverständigen und eine
Richterin am Landgericht bzw. Staatsanwältin/GL als Patientin).
Andererseits soll bei sexuellen Handlungen während eines bestehenden
Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses (auch bei
körperlichen Erkrankungen) ein Missbrauch grundsätzlich indiziert sein, so
dass es besonderer Umstände bedarf, die darauf hindeuten, dass die
besondere Vertrauensbeziehung nicht ausgenutzt wurde (vgl. BGH, Urteil vom
14.04. 2011 - 4 StR 669/10; die Entscheidung betraf allerdings einen
Heilpraktiker, der zur Behandlung von Rückenschmerzen zur "ostheopatischen
Mobilisierung des Vaginalraumes" und zum Beischlaf griff). Dazu bedarf es
einer Gesamtwürdigung. - Die Literatur sieht das bei der Behandlung
körperlicher Leiden anders, weil in diesen Fällen regelmäßig die Fähigkeit
zur sexuellen Selbstbestimmung nicht herabgesetzt sei. Es erklärt sich
m.E. auch tatsächlich nicht, warum eine sexuelle Beziehung zum Hausarzt,
zur Zahnärztin oder zum Dermatologen problematischer sein sollte als zum
Rechtsanwalt oder der personal trainerin.
-thh
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