Discussion:
Vollendeter Versuch...
(zu alt für eine Antwort)
Patrick Rudin
2021-04-15 21:07:03 UTC
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Gegeben sei ein vollendetes Erfolgsdelikt. Subjektiver Tatbestand ist
erstellt, allerdings fehlt es laut Gericht an einem wesentlichen Element
des objektiven Tatbestandes.

Quizfrage: Gibt das logischerweise eine Verurteilung wegen Versuchs?
Oder sind Konstellationen denkbar, wo das nicht der Fall ist?


Grüsse

Patrick
Stefan Schmitz
2021-04-15 21:49:43 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Gegeben sei ein vollendetes Erfolgsdelikt. Subjektiver Tatbestand ist
erstellt, allerdings fehlt es laut Gericht an einem wesentlichen Element
des objektiven Tatbestandes.
Quizfrage: Gibt das logischerweise eine Verurteilung wegen Versuchs?
Oder sind Konstellationen denkbar, wo das nicht der Fall ist?
Wo soll die Verurteilung herkommen, wenn der objektive TB gar nicht
erfüllt ist?
Thomas Hochstein
2021-04-16 21:29:28 UTC
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Post by Stefan Schmitz
Post by Patrick Rudin
Quizfrage: Gibt das logischerweise eine Verurteilung wegen Versuchs?
Wo soll die Verurteilung herkommen, wenn der objektive TB gar nicht
erfüllt ist?
Wann ist denn beim Versuch einer Straftat der objektive Tatbestand
erfüllt?
Thomas Hochstein
2021-04-15 22:03:40 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Gegeben sei ein vollendetes Erfolgsdelikt. Subjektiver Tatbestand ist
erstellt, allerdings fehlt es laut Gericht an einem wesentlichen Element
des objektiven Tatbestandes.
Quizfrage: Gibt das logischerweise eine Verurteilung wegen Versuchs?
Wenn sich der Vorsatz auch auf das fehlende Element des objektiven
Tatbestands erstreckte, im Zweifel ja?
Post by Patrick Rudin
Oder sind Konstellationen denkbar, wo das nicht der Fall ist?
Welche schwebt Dir vor?

-thh
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Patrick Rudin
2021-04-16 18:49:16 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Post by Patrick Rudin
Gegeben sei ein vollendetes Erfolgsdelikt. Subjektiver Tatbestand ist
erstellt, allerdings fehlt es laut Gericht an einem wesentlichen Element
des objektiven Tatbestandes.
Quizfrage: Gibt das logischerweise eine Verurteilung wegen Versuchs?
Wenn sich der Vorsatz auch auf das fehlende Element des objektiven
Tatbestands erstreckte, im Zweifel ja?
Naja, das Gericht findet halt, man könne auf Eventualvorsatz schliessen,
aber mangels Erfüllung des objektiven Tatbestandes könnr dies offen
bleiben. Warum also kein Versuch? Am Anklageprinzip sollte das nicht
scheitern, es ist ja eine reine rechtliche Würdigung.
Post by Thomas Hochstein
Post by Patrick Rudin
Oder sind Konstellationen denkbar, wo das nicht der Fall ist?
Welche schwebt Dir vor?
Ich finde ich es generell etwas irritierend, bei einem vollendeten und
beendeten Erfolgsdelikt von einem Versuch zu sprechen.


Gruss

Patrick
Henning Koch
2021-04-16 22:59:05 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Ich finde ich es generell etwas irritierend, bei einem vollendeten und
beendeten Erfolgsdelikt von einem Versuch zu sprechen.
Du meinst sowas wie den betrunkenen Autofahrer der einen Fußgänger
angefahren hat und nun flüchtet um sich der Strafverfolgung zu
entziehen, dabei den Schwerverletzten hilflos zurücklässt und dieser
dann hinterher tatsächlich tot ist?

Mit der Folge, dass man dem Autofahrer ein Tötungsdelikt durch
Unterlassen vorwirft (Garantenstellung durch den pflichtwidrig
verursachten Unfall), welches zur Verdeckung einer vorangegangenen
Straftat begangen wurde (Mordmerkmal), dessen Erfolg zwar letztlich
eingetreten ist (der Fußgänger ist tot), dieser vom Täter auch gewollt
war (mindestens aber billigend in Kauf genommen wurde), allerdings
nicht kausal auf die Tat zurück geführt werden kann, weil
gutachterlich festgestellt wurde, dass der Verletzte auch bei
unmittelbar gerufener ärztlicher Hilfe nicht überlebt hätte?

Was dazu führt, dass der Fußgänger zwar immer noch tot ist, der
Autofahrer sich vor der Justiz aber trotzdem nur für versuchten Mord
verantworten muss?

Ja, das ist verwirrend.

Das wäre es auch, wenn man es etwas eleganter formulieren würde als
ich es getan habe.
Patrick Rudin
2021-04-17 19:28:43 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
allerdings
nicht kausal auf die Tat zurück geführt werden kann, weil
gutachterlich festgestellt wurde, dass der Verletzte auch bei
unmittelbar gerufener ärztlicher Hilfe nicht überlebt hätte?
Was Du schilderst, läuft hier in der Schweiz als fahrlässige Tötung plus
pflichtwidriges Verhalten nach einem Unfall.


Gruss

Patrick
Thomas Hochstein
2021-04-17 20:45:08 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Post by Patrick Rudin
allerdings
nicht kausal auf die Tat zurück geführt werden kann, weil
gutachterlich festgestellt wurde, dass der Verletzte auch bei
unmittelbar gerufener ärztlicher Hilfe nicht überlebt hätte?
Was Du schilderst, läuft hier in der Schweiz als fahrlässige Tötung plus
pflichtwidriges Verhalten nach einem Unfall.
Naja, Hennings Fall geht auch nur auf, wenn der Unfallfahrer flüchtet
und dabei erkennt und zumindest billigend in Kauf nimmt
(Eventualvorsatz), dass der Verletzte ohne sofortige Hilfe stirbt.
Dann ist's eben keine bloße Fahrlässigkeit, sondern Vorsatz; die für
ein unechtes Unterlassungsdelikt erforderliche Garantenstellung ergibt
sich aus Ingerenz, das Mordmerkmal ist "zur Verdeckung einer
Straftat".

Wenn es am auch nur bedingten Vorsatz fehlt, ist die Rechtslage in
Deutschland nicht anders: fahrlässige Tötung und Verkehrsunfallflucht
("Unerlaubtes Entfernen vom Unfallort").

-thh
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Patrick Rudin
2021-04-18 12:20:00 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Dann ist's eben keine bloße Fahrlässigkeit, sondern Vorsatz; die für
ein unechtes Unterlassungsdelikt erforderliche Garantenstellung ergibt
sich aus Ingerenz, das Mordmerkmal ist "zur Verdeckung einer
Straftat".
Theoretisch ist mir das schon klar. Wurde das in Deutschland jemals bei
einem Autofahrer so durchgezogen?

Ich mein, die sind ja alle unter Schock (ausser beim Verwischen von
Spuren), da kann man ihnen kaum ein Nachtatverhalten vorwerfen...


Gruss

Patrick
Thomas Hochstein
2021-04-18 14:16:57 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Post by Thomas Hochstein
Dann ist's eben keine bloße Fahrlässigkeit, sondern Vorsatz; die für
ein unechtes Unterlassungsdelikt erforderliche Garantenstellung ergibt
sich aus Ingerenz, das Mordmerkmal ist "zur Verdeckung einer
Straftat".
Theoretisch ist mir das schon klar. Wurde das in Deutschland jemals bei
einem Autofahrer so durchgezogen?
Eine Anklage wegen versuchten Mordes? Ja klar. Das kommt natürlich
(glücklicherweise) nicht täglich vor, ist aber auch kein exotischer
Ausnahmefall.
Post by Patrick Rudin
Ich mein, die sind ja alle unter Schock (ausser beim Verwischen von
Spuren), da kann man ihnen kaum ein Nachtatverhalten vorwerfen...
Nun, wer bewusst erkennt, dass er einen Menschen überfahren hat, der
weiß regelmäßig, dass solche Verletzungen - bei entsprechender
Kollisionsgeschwindigkeit - zum Tode führen können (Wissenselement des
Vorsatzes); man wird sich auch einigermaßen anstrengen müssen, um zu
argumentieren, dass der Fahrerflüchtige darauf vertraut hat, es werde
schon gut ausgehen. Sehr viel naheliegender ist es m.E. regelmäßig,
dass er den Tod des Opfers billigend in Kauf nimmt (voluntatives
Element des Vorsatzes).

-thh
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Thomas Hochstein
2021-04-17 13:03:47 UTC
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Post by Patrick Rudin
Ich finde ich es generell etwas irritierend, bei einem vollendeten und
beendeten Erfolgsdelikt von einem Versuch zu sprechen.
Wenn nicht alle Elemente des objektiven Tatbestands vorliegen, dann
ist das Delikt ja gerade nicht vollendet.
Patrick Rudin
2021-04-17 19:32:01 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Wenn nicht alle Elemente des objektiven Tatbestands vorliegen, dann
ist das Delikt ja gerade nicht vollendet.
Argh, mein Fehler. Dogmatik ist verführerisch.

Also gut: Erfolgsdelikt vorsätzliche Tötung. Das Opfer ist danach
tatsächlich tot. Kausalität unbestritten und sogar zugestanden. Gericht
sieht beim subjektiven Tatbestand mindestens Eventualvorsatz als
erstellt, aber es fehlt eben ein Element beim objektiven Tatbestand.

Gibt es einen dogmatischen Grund, hier nicht wegen Versuchs zu verurteilen?


Grüsse

Patrick
Stefan Schmitz
2021-04-17 21:09:47 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Also gut: Erfolgsdelikt vorsätzliche Tötung. Das Opfer ist danach
tatsächlich tot. Kausalität unbestritten und sogar zugestanden. Gericht
sieht beim subjektiven Tatbestand mindestens Eventualvorsatz als
erstellt, aber es fehlt eben ein Element beim objektiven Tatbestand.
Welches denn? Davon wird es abhängen, ob es für einen Versuch reicht.
Thomas Hochstein
2021-04-17 21:06:54 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Also gut: Erfolgsdelikt vorsätzliche Tötung. Das Opfer ist danach
tatsächlich tot. Kausalität unbestritten und sogar zugestanden. Gericht
sieht beim subjektiven Tatbestand mindestens Eventualvorsatz als
erstellt, aber es fehlt eben ein Element beim objektiven Tatbestand.
Gibt es einen dogmatischen Grund, hier nicht wegen Versuchs zu verurteilen?
Wenn das fehlende Element des objektiven Tatbestandes vom Vorsatz
umfasst war, sehe ich da auf Anhieb keinen Grund.
Patrick Rudin
2021-04-18 12:17:34 UTC
Permalink
Post by Thomas Hochstein
Wenn das fehlende Element des objektiven Tatbestandes vom Vorsatz
umfasst war,
Jepp. Die Tötung geschah direktvorsätzlich, in Bezug auf das fehlende
Element sah das Gericht mindestens Eventualvorsatz. Das ist aber
natürlich eine ex ante-Unterstellung, das Fehlen des Elements wurde
(entgegen der Gutachtermeinung) ex post festgestellt.
Post by Thomas Hochstein
sehe ich da auf Anhieb keinen Grund.
Es ist ein eher pragmatisches Urteil. Demnächst urteilt die zweite
Instanz, ich bin mal gespannt.


Gruss

Patrick
Ulf Kutzner
2021-04-22 12:34:37 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Post by Thomas Hochstein
Wenn das fehlende Element des objektiven Tatbestandes vom Vorsatz
umfasst war,
Jepp. Die Tötung geschah direktvorsätzlich, in Bezug auf das fehlende
Element sah das Gericht mindestens Eventualvorsatz. Das ist aber
natürlich eine ex ante-Unterstellung, das Fehlen des Elements wurde
(entgegen der Gutachtermeinung) ex post festgestellt.
Post by Thomas Hochstein
sehe ich da auf Anhieb keinen Grund.
Es ist ein eher pragmatisches Urteil. Demnächst urteilt die zweite
Instanz, ich bin mal gespannt.
Nachdem der Angeklagte den massiven Betonkübel
losstieß, der auf dem Opfer zerschellte, erlitt dieses
zwischendurch noch, ohne nach oben geschaut zu haben,
einen tödlichen Herzinfarkt und zudem von dritter Seite
jeweils für sich sofort tödliche Schüsse in Hals und Kopf?

Gruß, ULF
Patrick Rudin
2021-04-24 12:25:03 UTC
Permalink
Post by Ulf Kutzner
Nachdem der Angeklagte den massiven Betonkübel
losstieß, der auf dem Opfer zerschellte, erlitt dieses
zwischendurch noch, ohne nach oben geschaut zu haben,
einen tödlichen Herzinfarkt und zudem von dritter Seite
jeweils für sich sofort tödliche Schüsse in Hals und Kopf?
Nein, das wären hauptsächlich Kausalitätsfragen. In meinem konkreten
Fall ist die Kausalität völlig klar. Ausserdem sehe ich in Deinem
Beispiel nicht, wo ein Merkmal das objektiven Tatbestandes fehlen sollte.


Gruss

Patrick
Stefan Schmitz
2021-04-24 12:39:53 UTC
Permalink
Post by Patrick Rudin
Post by Ulf Kutzner
Nachdem der Angeklagte den massiven Betonkübel
losstieß, der auf dem Opfer zerschellte, erlitt dieses
zwischendurch noch, ohne nach oben geschaut zu haben,
  einen tödlichen Herzinfarkt und zudem von dritter Seite
jeweils für sich sofort tödliche Schüsse in Hals und Kopf?
Nein, das wären hauptsächlich Kausalitätsfragen. In meinem konkreten
Fall ist die Kausalität völlig klar. Ausserdem sehe ich in Deinem
Beispiel nicht, wo ein Merkmal das objektiven Tatbestandes fehlen sollte.
Willst du nicht verraten, welches Merkmal bei dir fehlt?
Patrick Rudin
2021-04-28 21:45:28 UTC
Permalink
Post by Stefan Schmitz
Willst du nicht verraten, welches Merkmal bei dir fehlt?
Es war das Merkmal der Urteilsunfähigkeit. Hilft das bei der
dogmatischen Beurteilung weiter?


Gruss

Patrick

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